«Saubere Sache»: Eine Ausstellung mit unerwartet aktueller Brisanz
Lenzburg: Nächste Woche hätte das Museum Burghalde in der Dependance auf dem Seifi-Areal die Sonderausstellung «Saubere Sache» starten wollen. Trotz dem überraschenden Gegenwartsbezug wird die Ausstellung fürs Publikum erst eröffnet, wenn die Coronaviren-Krise ausgestanden ist.
Man treffe mit der neuen Sonderausstellung «rund um Sauberkeit und Hygiene den Nerv der Zeit», halten die Verantwortlichen des Museums Burghalde fest. In der Tat konnte, als vor vielen Monaten die Vorarbeiten für diese Hommage an die ehemalige Lenzburger Seifenfabrik begannen, niemand ahnen, welch immense Bedeutung etwa das Händewaschen heute hat.
Dieses Thema wird gleich beim Eingang aufgenommen. In einer stilisierten, orientalischen Waschhalle kann/soll/muss sich der Besucher noch vor der Kasse im «Fontaine des Innocents» säubern, seine Hände quasi in Unschuld waschen. Mit dem Waschritual in einem Raum mit von Marc Philip Seidel in Marokko geschossenen Fotos «taucht man ein in eine andere Welt», so der Museumsleiter.
Seifenblase als Symbol
Sauberkeit und Hygiene haben zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Kulturkreisen eine unterschiedliche Bedeutung und Geschichte. An neun verschiedenen Themeninseln zeigen dies die ehemalige Museumsleiterin Christine von Arx als Projektleiterin und ihr Nachfolger als Ausstellungskurator sehr eindrücklich.
Optisch gekennzeichnet sind diese «Inseln» mit grossen runden Informationstafeln, die mit ihrer irisierenden und schillernden Oberfläche auf der einen Seite Seifenblasen symbolisieren sollen. Seifenblasen ihrerseits gelten als Symbol für Unschuld, aber auch für Zerbrechlichkeit.
Mit dem Rundgang von Seifenblase zu Seifenblase macht der Besucher eine Zeitreise, die vor gut 5000 Jahren beginnt. Über die Zeit der Römer mit ihren Bädern auch in unserer Gegend bis hin zu mittelalterlichen Badevergnügen und späteren höfischen Ritualen mit Pudern und Parfümieren wandelt man bis in die letzten Jahrhunderte. «Ich habe während der Recherchen enorm viel gelernt, nicht nur über die symbolische Bedeutung, sondern auch über naturwissenschaftliche Aspekte der Sauberkeit», so Seidel.
Blick in die Zukunft
Je näher man der Gegenwart kommt, desto höher wird die Kadenz der Zeitinseln. Da erfährt der Besucher, dass im 18. Jahrhundert ein neues Hygieneverständnis unter dem Motto «Kampf den Bakterien» einsetzte. Im 19. Jahrhundert stellte die Zürcher Steinfels-Seife eine Konkurrenz zu den Produkten der Lenzburger «Seifi» dar.
Diese Fabriken prosperierten, bis die Waschmaschinen aufkamen. Im 20. Jahrhundert wurde das Verpackungsdesign der Reiningsmittel immer wichtiger. Dies wird anhand prominenter Beispiele (Flup, Vim) veranschaulicht. Aktuell stellen die Ausstellungsmacher eine «Rückkehr zu mehr Natürlichkeit» fest.
An der letzten Station wagt man sogar einen Blick in die Zukunft: Reinigen ohne Seife, dafür mit Hilfe von Nanotechnologie wird hier gezeigt. In Zusammenarbeit mit dem Swiss Nanoscience Institut der Universität Basel hat man zudem ein Seifenlabor eingerichtet. Kleine Besucher können hier mit Hilfe von Professor Wiesel, dem Museumsmaskottchen, ausprobieren, experimentieren, Aspekte von Sauberkeit untersuchen und sogar eigene Seifen kreieren.
Eine Original-Seifenpresse
«Saubere Sache» bietet eine weitere Attraktion. An der Nordwand des ehemaligen Seifi-Gebäudes sind im zeitlichen Ablauf die verschiedenen Stationen der 1857 von Johann Rudolf Ringier gegründeten Lenzburger Seifenfabrik zu sehen. Im erstmals mit einer Ausstellung bespielten ehemaligen Transitlager ist zudem eine Original-Seifenpresse zu sehen.
Hier zieren zahlreiche, teilweise ikonische Originalplakate unter dem Motto «... wäscht weisser» eine ganze Wand. Man findet grafische Meisterwerke aus dem Zeitraum von 1895 bis 2020. Und davor findet man Etiketten von Seifen bis zurück ins Jahr 1830. Die Kunstwerke im Kleinformat widerspiegeln den jeweils aktuellen Zeitgeist. Wie etwa jene unschuldige Frau auf einer von 1906, die zum Signet der Ausstellung wurde.
Lenzburger Rose, Wald und Blau
Eigene Seifen: Aus Anlass der Ausstellung «Saubere Sache» feiert die Lenzburger Seife ein Comeback: Für die Ausstellungsmacher war früh klar, dass man eine eigene Seife kreieren wollte: «Wir wollten eine marmorierte Seife, die so lecker aussieht wie ein Stück Kuchen», so Museumsleiter Marc Philip Seidel.
Entstanden sind drei verschiedene Duftnoten: «Lenzburger Rose», «Lenzburger Wald» und «Lenzburger Blau» (passend zur jugendfestlichen Kornblume), allesamt hergestellt aus rein biologischen Inhaltsstoffen, natürlich ohne Palmöl und künstliche Substanzen.
Hergestellt wurden die Seifen, die unter dem Slogan «Es schöns Stück Lenzburg» zum Einzelpreis von 16 Franken angeboten werden, in einer Aargauer Manufaktur. Getrocknet, veredelt und schön nostalgisch verpackt wurden sie vom Museumsteam in Lenzburg. (tf)
Start verschoben - bis auf weiteres
Die Ausstellung «Saubere Sache» kollidiert voll mit den aktuellen Entwicklungen im Kampf gegen den Coronavirus. Zuerst wurde die auf 26. Februar angesetzte Vernissage abgesagt und dann der Start der Ausstellung «bis auf weiteres verschoben», wie Museumsleiter Marc Philip Seidel erklärte: «Das Startdatum wird dann rechtzeitig kommuniziert.» Da auch das «Burghalde»-Stammhaus bis auf weiteres dicht ist, nutzen die Mitarbeiter die Zeit, «verschiedene Sachen» aufzuarbeiten, so Seidel. (tf)