Nach 5 Jahren zieht Heidi Schatzmann Billanz: «Es gibt Schicksale – und da hat man zu helfen»

SHG Seit fünf Jahren steht Heidi Schatzmann an der Spitze der Städtischen Hilfsgesellschaft (SHG) Lenzburg. Im Gespräch blickt sie zurück – auf bewegende Begegnungen, strukturelle Herausforderungen und das Fundament freiwilligen Engagements.

Die Städtische Hilfsgesellschaft Lenzburg blickt auf eine lange Tradition zurück: Ursprünglich 1883 als «Verein gegen Haus- und Gassenbettel» erwähnt, trägt sie seit 1944 ihren heutigen Namen. Auch nach über 140 Jahren bleibt ihr Zweck aktuell: schnell und unbürokratisch dort zu helfen, wo öffentliche Unterstützung nicht greift. Vor 5 Jahren übernahm Heidi Schatzmann das Präsidium. Im Interview gitb sie Einblicke in Erlebtes.

Frau Schatzmann, seit fünf Jahren führen Sie die Städtische Hilfsgesellschaft Lenzburg. Wie kam es damals zur Übernahme des Präsidiums?

Die Anfrage kam von Margrit Müller. Ich war damals gerade pensioniert, hatte also Zeit – und ich traute mir die Aufgabe zu. Dennoch wollte ich zuerst Einblick gewinnen, bevor ich ein solches Amt übernehme. Ich begann daher als einfaches Vorstandsmitglied und übernahm nach einem Jahr das Präsidium.

Wenn Sie zurückblicken: Was waren für Sie die eindrücklichsten Erlebnisse?

Es sind die dankbaren Rückmeldungen, die mich stets berühren. Besonders, wenn Kinder davon betroffen sind. Sie sollen nicht unter der finanziell schwierigen Situation ihrer Eltern leiden, sondern mitmachen können an Schullager, im Sportclub. Das dient auch der Integration. Ich erinnere mich gut an einen Lehrer, der sich an uns wandte, um nach einem Bewerbungscoaching seiner Schulklasse auch noch professionelle Bewerbungsfotos zu ermöglichen. Wir sprachen den Betrag – und erhielten später die Rückmeldung, dass alle eine Lehrstelle gefunden hatten. Auch die Unterstützung des Skilagers der Heilpädagogischen Schule liegt mir sehr am Herzen.

Gab es auch schwierige Situationen oder Entscheidungen?

Ja, insbesondere dort, wo unsere Möglichkeiten an Grenzen stossen. Wir erhalten vermehrt Anfragen zu Mietzinsen, Krankenkassenprämien oder offenen Selbstbehalten. Das sind oft systemische Probleme – wir könnten die Miete für einen Monat übernehmen, doch im nächsten läge dieselbe Rechnung wieder auf dem Tisch. Das ist wenige nachhaltig. In solchen Fällen verweisen wir an die Sozialen Dienste oder spezialisierte Organisationen.

Die Hilfsgesellschaft hilft, wo öffentliche Stellen nicht zuständig sind. Wie hat sich dieser Bedarf in den letzten Jahren verändert?

Die Art der Gesuche ist erstaunlich konstant geblieben – sie waren immer schon vielfältig. Einmal ging es um Fahrstunden für die Lehrstelle, ein anderes Mal um eine Zahnarztanzahlung. Was auffällt: Früher waren Gesuche für Laptops und Computer häufig, heute kaum noch. Offenbar hat sich da gesellschaftlich etwas verschoben.

Wie wichtig sind Kooperationen mit anderen Institutionen – etwa der Schule oder dem Müllerhaus?

Sehr wichtig. Ich habe ein Büro im Müllerhaus und kann auch die Buchhaltung dorthin delegieren – das ist eine grosse Entlastung. Zudem arbeiten wir eng mit den Sozialen Diensten zusammen. Viele Gesuche erreichen uns über deren Vermittlung.

Wie läuft ein Gesuch konkret ab – vom Eingang bis zur Entscheidung?

Unbürokratisch und effizient. Wir erhalten ein Gesuch, besprechen es, analysieren die Lage – und entscheiden dann oft innerhalb kurzer Zeit. Gerade weil viele Anliegen dringlich sind, schätzen die Gesuchsteller unsere schnelle Reaktion.

Ohne Spenden und Freiwilligenarbeit könnte Ihre Organisation nicht existieren. Wie sieht die Lage heute aus?

Freiwilligenarbeit ist unser Fundament. Ich verrechne höchstens einmal einen Toner für den Drucker, aber die Arbeit geschieht komplett ehrenamtlich. Spendenbriefe und Dankesschreiben werden verteilt. Das gibt schon einige Kilometer! Bei den Spenden sehen wir einen klaren Rückgang – obwohl die Stadt wächst, wächst unsere Kasse nicht im gleichen Masse. Doch wir dürfen dankbar sein: Der Lions-Club unterstützt uns jährlich grosszügig, ebenso lokale Geschäfte. Der grösste Teil unserer Mittel stammt aber von Privatpersonen – auch aus Pontresina erhalten wir etwa eine sehr grosszügige Unterstützung.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft – für den Verein und die Menschen in Lenzburg, die auf Hilfe angewiesen sind?

Solange wir auf Freiwillige und Spenderinnen zählen dürfen, geht es uns gut. Mein Wunsch ist, dass das Bewusstsein in der Gesellschaft wächst: Nicht jeder Mensch, der in einer schwierigen Lage steckt, trägt selbst die Schuld daran. Es gibt Schicksale. Und da hat man zu helfen – einfach, weil es menschlich ist.

Städt. Hilfsgesellschaft, Bleicherain 7, 5600 Lenzburg, CH30 0830 7000 0521 4430 5, Hypothekarbank Lenzburg

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