Salzkorn: Willensfragen
«Will Lenzburg eine Kantonsschule?» Diese Frage bewegt seit dem Rückweisungsentscheid der Ortsbürgergemeindeversammlung in Lenzburg die Gemüter. Sie ist nicht nur wegen der damit verbundenen Sinn- und Nutzenaspekte interessant und brisant, sondern auch, weil wichtige stadtpolitische Grundsatz- und Kulturfragen eng mit ihr verwoben sind: Wer bei der Willens- und Meinungsbildung was beziehungsweise nichts zu sagen hat? Wie bedeutende Geschäfte vorbereitet werden? Wie wer zu welcher Zeit auf welche Art und Weise (nicht) einbezogen wird? Wie das Partizipations-, Transparenz-, Kommunikations-, Rollen- und Selbstverständnis der wichtigsten Akteure ist?
Die Erwartungen und Ansprüche der Bürgerschaft an den stadtpolitischen Willens- und Meinungsbildungsprozess haben sich auch in Lenzburg bereits seit längerer Zeit verändert – bevor die Stadt urban-progressiv geworden ist. Umso deutlicher und spürbarer treten nun die Defizite des heutigen defensiv-passiven Systems zutage – und führen dann bei den Verantwortlichen immer wieder zu Überraschung und Verwunderung. Dabei wäre das Instrumentarium verfügbar – es müsste nur genutzt werden: regelmässige, verstetigte Kommunikationsaktivitäten über das amtliche Bulletinwesen hinaus wie zum Beispiel Informations- und Diskussionsveranstaltungen, Newsletters, Bürgerinnensprechstunden, Erklärvideos, Zukunftswerkstätten usw.
Einen ersten zarten Partizipationsversuch in dieser Richtung gab es an Neujahr, als die Lenzburgerinnen und Lenzburger auf www.lenzburg.ch in einer «Wortwolke» Erwartungen an 2021 formulieren durften: Neben «Solidarität», «Zuversicht» oder «Mut» wurden auch Veränderungen in der Stadtführung thematisiert, worauf sich plötzlich ein Schriftgrössenduell mit Gegenbekenntnis entspann. Dass die Öffentlichkeit das Endresultat nur sehr kurz zur Kenntnis nehmen durfte, hing aber wohl eher mit einer andern – sehr prominent geäusserten und nachbarschaftspolitisch sehr heiklen – kollektiven Willensäusserung zusammen: «Staufen melken».