«Lenzburg persönlich» mit Gluggere und Jungjäger
Stadttalk Die 21. Auflage des Sonntagmorgengesprächs der Institution Müllerhaus fand wieder analog und vor Ort statt. Stiftungsratspräsident Alexander Krebs freute sich über die grosse Zuhörerschar – «und erst noch sind alle trotz Zeitumstellung pünktlich erschienen».
Zu «Lenzburg persönlich» begrüsste Moderator Tinu Niederhauser diesmal Margrit Müller und Emanuel Freudiger. Einmal mehr sorgte die generationenübergreifende Zusammensetzung für zusätzliche spannende Aspekte.
Niederhauser stellte die 75-jährige Margrit Müller als «Gluggere» vor, wobei der wohlmeinende Unterton von der derart Titulierten mit einem Lächeln quittiert wurde. Der 38-jährige Emanuel Freudiger wurde als Jungjäger und «rotweintrinkender Fussballfan» vorgestellt.
Von Ahnen geprägt
Beide «Persönlich»-Gäste, so war im stets interessanten Gespräch zu vernehmen, sind geprägt von Vorfahren. Margrit Müller ist im Felsenkeller aufgewachsen. Hier, in einem in den Goffersberg geschlagenen Gewölbekeller, waren früher, als es noch keine Kühlhäuser gab, bis zu 600 Tonnen Gemüse und Früchte eingelagert.
Müllers Vater hat jedoch auch Grastrocknungsanlagen gebaut und diese in ganz Westeuropa ausgeliefert. Von ihm hat sie wohl das jugendliche Fernweh und die Faszination für Flugzeuge geerbt, konnten sich die Zuhörer im Müllerhaus zusammenreimen.
Bei Emanuel Freudiger ist der Grossvater an der aktuellen Passion, der Jägerei, schuld: «Er hat uns Enkelkinder intensiv mit der Natur vertraut gemacht.» Bei den damaligen Abstechern in den Wald lernten die Kinder etwa die verschiedenen Vogelstimmen zuordnen.
Der Respekt vor der Tierwelt prägt den Jäger auch heute. Die erst vor wenigen Jahren abgeschlossene Jägerausbildung bezeichnete Freudiger als «sehr anspruchsvoll». Nun, als Pächter der Jagdgesellschaft Rietenberg, nehme das «Herausnehmen der Tiere» höchstens 20 Prozent der Tätigkeit aus; «der Rest ist Hege und Pflege».
Analoges Entschleunigen
Freudiger hat seine frühere Leidenschaft, die Fotografie, zu seinem Beruf gemacht und wirkte nach seiner Lehre als Fotofachangestellter als Pressefotograf bei der «Aargauer Zeitung» und ist heute Fotoredaktor beim «Touring»-Magazin. Zum Entschleunigen hört er gerne Schallplatten, vorwiegend Freejazz, und fotografiert in der Freizeit wie in Vordigitalzeiten mit Film.
Dass mit dem technischen Fortschritt auch Negatives verbunden wird, erfuhr auch Margrit Müller: «Das Handy ist eine Katastrophe.» Mit dem Einsatz des Smartphones vergesse selbst sie, die sonst für ihr tadelloses Zahlengedächtnis bekannt ist, die wichtigsten Nummern.
Unvergesslich und von der Stadt offiziell ausgezeichnet ist hingegen Müllers Einsatz für die Allgemeinheit. Nach dem Beruf und dem Aufziehen von drei Töchtern engagierte sie sich beim Gemeinnützigen Frauenverein und bei der Städtischen Hilfsgesellschaft, die allermeiste Zeit als Präsidentin. Aufs entsprechende Nachhaken des Gesprächsleiters bestätigte Margrit Müller: «Man kann sagen, ich habe ein Helfersyndrom.»
Bei aller Weltoffenheit und regelmässigen Ferien in Bellwald im Wallis ist Müllers Liebe zur Stadt Lenzburg schon sehr gross: «Kommt man zurück, geht einem beim Anblick des Schlosses doch das Herz auf.» Freudiger, mittlerweile in Staufen wohnhaft, sieht es «nicht so eng»: «Ich bin gerne hier.»
Ein Blick auf die kleine Welt
Eh man sich’s versah, war die Stunde wieder rum. Das von Tinu Niederhauser als «Flucht aus der aktuellen Zeit» beschriebene Gespräch bot den einleitend versprochenen «Blick auf unsere kleine Welt».