Lenzburg persönlich: «Der humane Strafvollzug ist ein Erfolgsmodell»

Lenzburg persönlich Die Gesprächsrunde «Lenzburg persönlich» im Müllerhaus am Sonntagmorgen bot einen lebendigen Austausch zu den Themen «Schuld und Sühne» aus praktischer und wissenschaftlicher Sicht.

Martin Killias, Peter Buri und Marcel Ruf tauschten sich aus.Foto: zvg

Die Gesprächspartner, Martin Killias, Professor für Strafprozessrecht und renommierter Kriminologe, sowie Marcel Ruf, Direktor der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lenzburg, lieferten spannende Einblicke. Moderiert von Peter Buri, Regierungssprecher des Kantons Aargau, entwickelte sich ein engagiertes Gespräch, das sowohl ihre Leidenschaft für ihre Berufe als auch ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten widerspiegelte.

Passionen verbinden

Martin Killias blickt auf eine erfolgreiche Karriere als Strafrechtsprofessor und Kriminologe zurück. Seine internationalen Forschungen zur Kriminalität sind ebenso bekannt wie sein Engagement im Heimatschutz. Er berichtete, wie sein Vater ihm durch zahlreiche Ausflüge zu Ruinen und Burgen das Interesse an historischer Bausubstanz vermittelte. Obwohl er ursprünglich Historiker werden wollte, fand er seinen Weg zur Juristerei und setzt sich nun als Präsident des Zürcher und des Schweizer Heimatschutzes auch rechtlich für den Erhalt historischer Gebäude ein. «Da werde ich richtig emotional», sagte er, als er von seinem Engagement sprach.

Killias berichtete auch von einer persönlichen Attacke im Lenzburger Einwohnerrat, als er erfolgreich eine Einwendung gegen ein Bauprojekt in der Altstadt erhob. Er empfand es als unzulässig, dass diese Attacke ohne Vorwarnung kam und gegen ein Gerichtsurteil gerichtet war, das zu seinen Gunsten ausgefallen war. Er lobte jedoch den Stadtrat für seine Lernbereitschaft.

Vom Maschinenbauzeichner zum JVA-Direktor: Marcel Ruf

Marcel Ruf erzählte offen, wie er vor 25 Jahren als Maschinenbauzeichner, nach internationalen Arbeitseinsätzen, aus Neugierde eine Stelle im Sicherheitsbereich der JVA Lenzburg antrat. Zunächst wenig von der Anstalt wahrnehmend, führte er eine philosophische Diskussion über «Schuld und Sühne» mit dem damaligen Direktor, was ihm den Weg in die Anstalt ebnete. «Ich mache einfach meinen Job», betonte Ruf bescheiden, obwohl er bereits als innovativer Gefängnisdirektor anerkannt wird.

Schuld, Sühne und menschliche Entscheidungsfreiheit

Beide Gesprächsteilnehmer waren sich einig, dass es das «reine Böse» nicht gibt. Bei den schlimmsten Verbrechen, etwa denen der Nationalsozialisten, spielten Lebensumstände, persönliche Erfahrungen und Gelegenheiten eine entscheidende Rolle. Killias machte ein Gedankenspiel: Hätte Adolf Hitler als mässig talentierter Maler ein anderes Leben geführt und Heinrich Himmler als Landwirt ein normales Leben führen können? Diese Frage, die auch auf seine eigene Lebensgeschichte Bezug nahm, unterstrich die Bedeutung von Entscheidungen und Umständen.

Der humane Strafvollzug als Erfolgsmodell

Sowohl Marcel Ruf als auch Martin Killias befürworteten das in Lenzburg entwickelte Konzept des humanen Strafvollzugs. Trotz mancher Vorbehalte sei es möglich, das Unrecht, das mit der Strafe gesühnt wird, bewusst zu machen und gleichzeitig die Wiedereingliederung der Straftäter in die Gesellschaft zu fördern. Killias betonte, dass angesichts der niedrigen Rückfallquote der humane Strafvollzug als Erfolgsmodell gelten könne.

Ein Blick auf Lenzburg

Zum Abschluss des Gesprächs äusserten sich die beiden Gäste zu ihrer Beziehung zu Lenzburg. Marcel Ruf schätze vor allem die historische Altstadt und die hohe Akzeptanz der JVA in der Stadt. Er wolle jedoch nicht in Lenzburg wohnen, um eine Distanz zu seiner Arbeit zu wahren. Martin Killias, als unmittelbarer Nachbar der JVA, sprach von seiner Liebe zur Stadt und zu deren historischer Bausubstanz, auch wenn er oft wegen deren Bedrohung durch Bauprojekte leide. Die Mauern der JVA symbolisierten für ihn einen wichtigen Teil seines Lebens und seiner Arbeit im Bereich des humanen Strafvollzugs. (pd/rfb)

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