Ex-Hotel ist bereit für 60 Ukraine-Flüchtlinge
Flüchtlingsbetreuung Im ehemaligen Hotel Lenzburg an der Aavorstadt ziehen diese Woche erste zugeteilte Flüchtlinge aus der Ukraine ein. Vorher zeigten die Verantwortlichen die umgebauten Räume.
Nach dem brutalen Feldzug der Russen gegen das Nachbarland Ukraine erreichen Kriegsflüchtlinge von dort auch die Schweiz. Via Bund und Kanton werden sie gemäss Verteilquoten den Gemeinden zugeteilt.
«Glücksfall für die Stadt»
Zur Unterbringung von Ukraine-Flüchtlingen hat die Stadt Lenzburg das ehemalige Hotel Lenzburg gemietet, das im Rahmen der Coronapandemie im letzten Jahr die Waffen streckte und umgenutzt werden soll.
«Es ist ein Glücksfall für die Stadt, dass wir das Haus für die Unterbringung von Flüchtlingen zu einem guten Preis mieten konnten», hält die zuständige Stadträtin Beatrice Taubert bei einem Augenschein wenige Tage vor dem Einzug der ersten Ukrainer fest.
Grosse Solidarität gespürt
Das zwischenzeitlich geräumte, aber nun wieder wohnbar gemachte ehemalige Hotel bietet bei Vollbelegung Platz für maximal 60 Flüchtlinge. Man rechnet bei der Stadt vor allem mit Frauen mit Kindern oder Senioren.
In einem mehrtägigen Einsatz haben rund 30 Zivilschützer die Zimmer mit zwei bis acht Betten eingerichtet. Etliche Möbel konnten vom ehemaligen «Pflug» in Othmarsingen übernommen werden; anderes, vor allem Kajütenbetten, habe man bei Ikea gekauft.
Die engagierten Handwerker seien beim Preis entgegengekommen, hielt Taubert an einem Medientermin Anfang Woche fest. Überhaupt: «Die Solidarität ist riesengross. Wir haben immer Leute gefunden, die helfen wollten», so die Stadträtin.
Dies sieht man auch bei den Sachspenden, die von Einwohnern an zwei Sammeltagen abgegeben wurden. Kleinmöbel, viel Geschirr und verschiedenste Textilien sind inzwischen in Regale eingeräumt und warten auf die neuen Besitzer und Benutzer.
Gestaffelte Zuweisung
Nun wartet man bei der Stadt auf die gestaffelte Zuweisung der Ukraine-Flüchtlinge durch den Kanton. Mark Jansen, Bereichsleiter Sozialdienst bei der Stadt Lenzburg, rechnet mit etwa zwei Gruppen pro Woche: «Ein Ziel ist es, letztendlich eine hohe Auslastung der Räumlichkeiten zu erreichen.»
Alle der 21 Einheiten sind mit einer Nasszelle ausgestattet. Auf jedem der drei Stockwerke gibt es Kühlschrank, Waschmaschine und Tumbler. Im Erdgeschoss, im früheren Restaurant, ist ein Gemeinschaftsraum eingerichtet – beispielsweise mit den ausrangierten Stühlen aus der Naturfreundehütte. Teppiche und das Fernsehgerät in der angrenzenden Lounge sind ebenfalls gespendet.
Ob gemeinsam oder in Gruppen gekocht wird, entscheiden die künftigen Bewohner. Selbstverwaltung ist das Stichwort; Selbstbestimmung das Ziel.
Mariana Tabarkevych: «Es war schrecklich»
Betreuerin Sie strahlt eine gelassene Zuversicht aus, doch auch sie musste wegen des Kriegs ihr Heimatland verlassen. Mariana Tabarkevych ist im Hotel Lenzburg in einem 80-Prozent-Pensum als Betreuerin ihrer ukrainischen Landsleute angestellt.
Mit ihren ausgezeichneten Deutschkenntnissen und ihrer letzten Tätigkeit als Vizebürgermeisterin (Deputy Mayor) der westukrainischen Stadt Dolyna ist sie für diese Aufgabe als Bindeglied zwischen der Stadt Lenzburg und den nun eintreffenden Flüchtlingen prädestiniert. «Ich bin froh und dankbar, hier zu sein; ich habe wunderbare Leute angetroffen.»
Tabarkevych lebt inzwischen in Möriken-Wildegg. In die Schweiz gekommen ist sie, weil sie hierhin bereits Kontakte hatte: «Ich habe viele Freunde hier.»
Pure Angst war der Auslöser für die Flucht aus der Ukraine. Dolyna ist ein Zentrum der Ölförderung und der petrochemischen Industrie und deshalb sind die entsprechenden Anlagen potenzielle Ziele russischer Raketen, auch fernab der Hauptkriegsschauplätze im Osten des Landes. Tabarkevych hat Granateneinschläge gehört: «Er war schrecklich.» Sie liess sich Anfang März von ihrem Mann an die Grenze fahren und überquerte diese zu Fuss.
«Mein Sohn weint jeden Morgen»
Während Ehemann und Eltern im Land blieben, kam Mariana Tabarkevych zusammen mit ihren zwei Kindern im Alter von 10 und 12 Jahren und ihrer Schwester via Wien in die Schweiz.
«Wir waren auf eine solche Situation nicht vorbereitet; wir hatten nie an Krieg gedacht», so die Betreuerin, die selbst eine Cousine in Moskau hat. Vielleicht rumort es in ihrem Innern mehr als sie zugibt. Nach einem «guten Job in der Ukraine» ist jetzt Neuanfang angesagt. Und der kleine Sohn hat Heimweh: «Er weint jeden Morgen.» (tf)