Zu Besuch in der Geisselwerkstatt
Egliswil Für Daniel Werren ist es der Soundtrack der Vorweihnachtszeit: das Geisselklöpfen. In seiner Geisselwerkstatt in Egliswil stellt der 42-Jährige bis zu 500 Geisseln pro Jahr her.
Im November startet der Brauch, der in der Region eine lange Tradition hat: Landauf, landab wird durch das Klöpfen der Samichlaus angekündigt. Damit ein lauter Knall durch die dunkle Nacht klingt, wird die Geissel mit beiden Händen fliessend in einer Acht nach vorne geschwungen – so erklärt es Daniel Werren. Er muss es wissen, schliesslich stellt er die traditionellen Geisseln seit mehr als 25 Jahren her.
Der letzte Mohikaner
Daniel Werren weiss genau, wie er eine Geissel anfertigen muss. An einer selbst gebauten Maschine, dem Drehautomaten, in seiner Manufaktur in Egliswil fertigt er inmitten von Kunden und Geschäftskollegen Mario Birrer mit viel Fingerspitzengefühl und Routine eine Geissel an. Gelernt hat er das Handwerk gemeinsam mit seinem verstorbenen Vater Robert Werren vor vielen Jahren bei Seiler und Geisselexperten Ernst Lüthi in Lenzburg.
Nun gibt er sein Wissen seit fünf Jahren an den 48-jährigen Mario Birrer weiter, der in Wildegg einen Coiffeursalon und während der Saison eine kleine Zweigstelle der Geisselwerkstatt betreibt. «Mario ist geduldiger als ich. Ein richtiger Perfektionist», sagt Werren, der Birrer das Handwerk Stück für Stück lehrt. «Mario macht es richtig gut, es dauert aber viele Jahre, bis man die Routine hat.» Die beiden sind nicht nur Lehrmeister und Lehrling, sondern auch Freunde. Das ganze Jahr über stellen die beiden Geisseln her und reparieren diese auch – in Handarbeit. Geisselmacher gibt es in der Schweiz nur noch eine Handvoll. «Brauchtum verpflichtet», sagt er. «Ich bin stolz, dass ich und Mario die Tradition des Geisselbauens gemeinsam weiterführen.»
Jede Geissel ein Unikat
In einem ersten Schritt wird ein langes Seil aus Flachs von vorne nach hinten immer dünner verlaufend hergestellt. In einem zweiten Schritt wird die eigentliche Geissel hergestellt. Hierfür befestigt Werren das Seil an einem sich drehenden Haken. Mit routinierten Handgriffen und mit Hilfe eines Holzstabes dreht er das Seil Stück für Stück ein. Während es oben einige Zentimeter dick wird, bleibt es gegen unten dünn. Produziert werden Geisseln von 1,50 bis 4,20 Metern Länge. Zu wem welche Länge passt, ist laut Werren individuell und abhängig von Körpergrösse, Kraft und Technik.
Die Herstellung einer Geissel dauert je nach Art und Länge – es wird zwischen Lenzburger und Innerschweizer Geisseln unterschieden – zwischen einer halben und fünfeinhalb Stunden. Zu kaufen sind sie für 40 bis 175 Franken. Für Werren, der die Geisselwerkstatt als Nebentätigkeit führt, ist die Manufaktur ein kleiner Nebenverdienst, aber vor allem eine Leidenschaft.
Klöpfen ist Volkskulturgut
Werren und Birrer sind ein eingespieltes Team. Seit Anfang Jahr haben die beiden schon 400 Geisseln hergestellt. Jeden Samstag im November stehen die beiden mehrere Stunden in der Werkstatt, drehen spinnen, litzen und binden die Geisseln, bis sie den Besitzern übergeben werden können. «Das Leuchten in den Augen der Kinder, wenn sie die Geissel zum ersten Mal schwingen, ist der schönste Lohn», sagt Birrer, der wie Werren der Tradition des Chlausklöpfens verfallen ist.
Wer von beiden ist der bessere Klöpfer? «Ich!», so die prompte Antwort von Daniel Werren. «Noch», antwortet Birrer. Die beiden klopfen sich kameradschaftlich auf die Schulter. Das Wichtigste ist die Erhaltung der Tradition, die in der Region seit mehr als 70 Jahren besteht, da sind sich beide einig.
Es geht um ein Volkskulturgut. Und es geht darum, auch im Winter das gesellschaftliche Leben zu pflegen, auch bei garstigem Wetter. Mit Wurst, Glühwein, Familie und Freunden.