Stehen Gärtnereien vor dem «Aus» – trotz boomendem Onlineverkauf?
Region: Im Ausnahmezustand ist alles anders. Auch für Gärtnereien. Was passiert mit all den Gemüsesetzlingen und Pflanzen, die für das Frühlingsgeschäft gezogen wurden? Die Zeitung hat bei drei Gärtnereien nachgefragt.
Zu Beginn des Lockdown mussten wir vieles wegwerfen», sagt Moritz Rämi von Blueme Kari in Seon. Das Onlinegeschäft sei erst nach drei Tagen so richtig angelaufen. «Und jetzt können wir uns vor Aufträgen nicht mehr retten», sagt Rämi, der zusammen mit seiner Schwester Claudia Rämi Pullen das Unternehmen leitet. Die Bestellungen werden nach Hause geliefert oder an den Abholstationen in Brugg und Frick für die Kundschaft bereitgestellt.
«Äusserst gefragt sind Blumensträusse – wohl um in diesen schweren Zeiten seinen Liebsten eine Freude zu bereiten.» Und jahreszeitbedingt steigt auch die Nachfrage nach Setzlingen. Eisberg, Lattich, Kopfsalat und Kohlraben sind produziert, verkaufsfertig. «Die Nachfrage ist so gross, dass wir sogar zukaufen mussten. Doch nun kommen laufend neue Setzlinge aus der Eigenproduktion dazu. Der Frühling ist unsere umsatzstärkste Zeit. Doch heuer werden wir im März und April wohl nur um die 20 Prozent Einnahmen generieren können. Wünschenswert wäre, dass am 20. April der Notstand gelockert wird und wir unsere Geschäfte wieder öffnen können.»
Denn trotz der vielen Arbeit musste Rämi für 28 der 40 Angestellten Kurzarbeit beantragen. Nicht ganz einfache Zeiten gebe es immer wieder mal. Aber dass alle sechs Geschäfte schliessen mussten, so was habe es in 42 Jahren Blueme Kari noch nie gegeben.
Freiwillige helfen mit
«Gegen 20 000 Pflanzen konnten wir wegen der Ladenschliessung nicht mehr verkaufen», sagt Martin Vogel von der Gärtnerei Vogel in Schafisheim. Durch Verschenken und Weitergeben an Geschäftskollegen konnte ein Grossteil gerettet werden. Seit drei Wochen werden er und sein Team nun mit Bestellungen überrannt. «Wir laufen am Anschlag, weil das Bereitstellen der Ware und Ausliefern kräftezehrend sind. Im Moment verstärken fünf Freiwillige unser 20-köpfiges Team», sagt Vogel.
Einerseits sei es schön, dass wenigstens der Onlineverkauf funktioniere. Andererseits sei es aber anstrengend, weil sich einige Menschen nicht an die Coronaregeln bei der Abholstation halten würden. «Sie missachten die Absperrbänder, kriechen unten durch oder fahren mit dem Auto über Wege zu, die gesperrt sind», sagt Vogel.
Aktuell seien Küchenkräuter und Gemüsesetzlinge besonders gefragt. Auch Steckzwiebeln und Saatkartoffeln stünden erstaunlich häufig auf dem Wunschzettel. «Obwohl wir uns vor Arbeit nicht retten können, wird der Umsatz massiv einbrechen. Denn mit offenem Laden und der Möglichkeit, unsere Ware über die Märkte in Lenzburg und Aarau zu verkaufen, würden wir bedeutend mehr einnehmen. 60 bis 70 Prozent des Jahresumsatzes generieren wir von März bis Mai», betont Vogel. Entlassungen seien trotz schwieriger Lage jedoch im Moment nicht geplant.
Leider zeichne sich bereits jetzt ab, dass ein grosser Teil der Frühlingsgemüsesetzlinge nicht über den Onlinekanal verkauft werden könne, weil es von der Menge her einfach zu viel sei. «Ich hoffe, dass ich einigen Gärtnereikollegen aushelfen kann, ansonsten landen sie auf dem Kompost. Denn wir müssen ja trotz Coronakrise weitermachen, die Anbauflächen mit Sommerflor und Sommergemüse neu ansäen.» Die Hoffnung liegt nun ganz auf einem baldigen Ende des Ausnahmezustands. Wenn er noch weitere drei Monate andauere, dann sei Feierabend, bedauert Vogel.
Ende der Krise nicht abschätzbar
Dem pflichtet auch Heinz Tanner von Aareblumen Veltheim bei. «Wegen der Coronakrise werden wir hohe finanzielle Einbussen haben, vielleicht sogar schliessen müssen. Das Schlimmste am Ganzen – man weiss nicht, wie lange es dauern wird. Auch ein Hagelschlag hat drastische Folgen, ist am nächsten Tag aber vorbei und man kann weitermachen. Ob wegen der Coronakrise ein Weitermachen möglich ist, wird sich zeigen», sagt Tanner.
Um wenigstens einen Teil der verkaufsfertigen Setzlinge und Blumen noch verkaufen zu können, hat das Aareblumen-Team übers vergangene Wochenende einen Onlinebestellservice eingerichtet. «Gemüsesetzlinge, Kräuter und Erde sind besonders gefragt. Unsere Telefone laufen heiss», sagt Tanner. Und ergänzt bedauernd: «Viel Arbeit für wenig Ertrag. Denn unsere Preise basieren auf Selbstbedienung.» Den grossen Umsatz macht Aareblumen von Mitte April bis Ende Mai – aber natürlich über verschiedene Kanäle.
Mit «online» alleine ist nur ein Bruchteil der Eigenproduktion absetzbar. In der Gärtnerei stehen 65000 Geranien und 4500 Blumenampeln und viele andere Produkte bereit. All dies sollte bis Mitte Mai an Private und Fachhändler ausgegeben werden können. «Zudem haben wir selber Bestellungen für die Herbst- und Wintersaison laufen. Ich bin nun hin- und hergerissen, ob ich diese Bestellungen annullieren soll oder nicht. Neuste Studien aus Deutschland zeigen, dass 72 Prozent der deutschen Gärtnereibetriebe diese Krise nicht überstehen werden.» Damit bleibt nur eins, zu hoffen, dass die Lage sich bald entspannt.