Im Frühling fliegen sie wieder, die Fledermäuse

Veltheim Der Winterschlaf ist vorbei – die ersten Mausohr-Fledermäuse sind bereits in die Wochenstube im Dachstock der reformierten Kirche zurückgekehrt. Gerade rechtzeitig konnte ihre «Sommerresidenz» von den Exkrementen des letzten Aufenthalts gesäubert werden.

Noch sind nicht alle Weibchen in der Vältner «Sommerresidenz» eingetroffen; Über 1000 Tiere zählt die Kolonie. Foto: oekovision Gmbh, Widen

Noch sind nicht alle Weibchen in der Vältner «Sommerresidenz» eingetroffen; Über 1000 Tiere zählt die Kolonie. Foto: oekovision Gmbh, Widen

Auf dem Weg zur Wochenstube: Betreuer Josef Betschmann. Foto: zvg

Auf dem Weg zur Wochenstube: Betreuer Josef Betschmann. Foto: zvg

Verschläft Fotoshooting: Das Grosse Mausohr. Foto: Stiftung Fledermausschutz

Verschläft Fotoshooting: Das Grosse Mausohr. Foto: Stiftung Fledermausschutz

Durch diese beiden Luken im Kirchturm fliegen sie nachts aus: Die Fledermäuse der Maus-ohr-Kolonie in Veltheim. Foto: zvg

Durch diese beiden Luken im Kirchturm fliegen sie nachts aus: Die Fledermäuse der Maus-ohr-Kolonie in Veltheim. Foto: zvg

Bei der Putzaktion auf dem Dachboden der Kirche haben wir neun 60-Liter-Abfallsäcke gefüllt», sagt Andres Beck, Fledermausschutzbeauftragter des Kantons. Zusammen mit Josef Betschmann, Quartierbetreuer der Mausohrkolonie, hat Beck die Wochenstube der zweitgrössten Mausohrkolonie in der Schweiz für die kleinen Säuger bereitgestellt. «Die ersten sind bereits eingetroffen. Aber wegen der Kälte bis gut Mitte April flogen sie noch nicht wirklich aus», sagen Beck und Betsch-mann.

Den Weibchen vorbehalten

Es sei schon vorgekommen, dass bei anhaltender Kälte im Frühling das Mausohr die Välter Wochenstube wieder verlassen habe, um nochmals einen kleinen Winterschlaf zu halten. Den halten sie am liebsten an frostfreien, feuchten Orten, etwa in Höhlen oder Felsspalten. Zurückkommen an den Ort, an dem sie geboren wurden, das würden die meisten. Sofern man ein Weibchen ist. Männchen haben in der Wochenstube nichts verloren, führen nach der Paarung im Sommer ein Leben als Einzelgänger.

Nebst der Putzaktion gehört es zu den Aufgaben von Josef Betschmann, ab Mai einmal im Monat die Fledermäuse beim Ausfliegen zu zählen. Bestimmt kein leichtes Unterfangen, in der Dämmerung den Überblick zu behalten, oder? «Nein, das geht problemlos. Dadurch, dass sie nur durch zwei kleine Luken aus dem Kirchturm fliegen, wird das Zählen mit einem Klickzähler leicht gemacht», sagt Betschmann. Unterstützt wird er dabei häufig von Ursula Wattinger, die ein Infrarotgerät für die Zählung einsetzt. Rund eine Stunde dauert es, bis alle 700 bis 800 Tiere jeweils ausgeflogen sind.

Gestartet mit einer Kleinstkolonie

Wie kommt man dazu, ein Fledermausbetreuer zu werden? «Ganz einfach. Zusammen mit Arthur Ingold habe ich mich vor 34 Jahren auf ein Inserat der Stiftung Fledermausschutz gemeldet, in dem eine Betreuung für eine Kolonie von fünf Tieren gesucht wurde. Bis dato wusste ich nicht viel über Fledermäuse. Ich fand diese Lebewesen jedoch schon immer äusserst spannend und nahm deshalb die Herausforderung gerne an», sagt er.

Betschmann und Ingold fanden grossen Gefallen an ihrer Freiwilligenarbeit und boten schliesslich ihren Frondienst in Veltheim an. «Mein Kollege hat inzwischen jedoch aufgehört», sagt Betsch-mann, der nun seit 32 Jahren zur Kolo-nie in Veltheim schaut. Nebst dem regelmässigen Zählen gehört auch Beobachten zu seinen Aufgaben. Sofern ihm ein verändertes Verhalten auffallen würde, würde er sich mit Andres Beck kurzschliessen.

Es kommt auch immer wieder vor, dass er ein geschwächtes oder verletztes Tier findet. Manchmal kann er – nach der Abklärung beim Notruftelefon - selber helfen. Und sonst wird das Tier in eine Notfallstation gebracht – oder von dort abgeholt. Josef Betschmann bietet auch Führungen an, etwa für Vereine, Gruppen und Schulen, um für den Schutz dieser Tiere zu sensibilisieren.

Im Juni kommen die Jungen zur Welt, die von den Müttern für die ersten drei, vier Wochen gesäugt werden. Danach begleiten die Kleinen die erwachsenen Tiere bei ihren nächtlichen Ausflügen, lernen die Laufkäfer auf dem Boden zu jagen und das Leben als Mausohr kennen. In der Kolonie in Veltheim leben über 1000 Tiere. Zwischen 300 und 400 kommen jeweils im Juni zur Welt.

Klimaerwärmung hat Folgen

«Bis zu 80 Prozent der Jungtiere überleben den ersten Winter nicht», sagt Beck. Und die Zukunft zeigt sich leider auch nicht wirklich von einer erfreulichen Seite. Wegen der Klimaerwärmung werden bestimmte Baumsorten nicht «überleben». Der Unterwuchs wird sich dadurch verändern und damit auch die Kleinstlebewesen, die sich dort tummeln. Die Laufkäfer, die Lieblingsspeise des Mausohrs, werden wohl mangels idealer Lebensbedingungen dezimiert werden. Was genau passieren wird, ist jedoch ungewiss. Was den Fledermäusen das Leben schwer macht, ist unter anderem die Lichtverschmutzung. Sie sind darauf angewiesen, bestimmte Flugkorridore nutzen zu können, um in die Jagdgebiete zu kommen. Zu viele Lichtquellen verhindern dieses Unterfangen. «Nicht nur Strassenlampen, sondern auch Beleuchtungen in Privatgärten können die Flugroute stören», sagt Beck.

Für Ökosystem wichtig

Zu Becks Aufgaben gehört es denn auch, mit Gemeinden dieses Thema anzugehen und die Bevölkerung zu sensibilisieren. Bei Bauvorhaben von öffentlichen Gebäuden, in denen Fledermäuse hausen, steht er beratend zur Seite. «Die Fledermäuse sind für das Ökosystem äusserst wichtig. Sie fressen Unmengen an Insekten, unter anderem den Maiszünsler, dessen Raupen für grosse Ernteausfälle verantwortlich zeichnen. Auch deshalb stehen sie von Gesetzes wegen unter Schutz», betont Beck. Wer diesen Lebewesen gerne selber etwas Gutes tun möchte, der sollte auf zusätzliche Beleuchtungen im Garten verzichten, Wildwiesen gedeihen lassen und heimische Sträucher pflanzen.

Das Mausohr auf Grossleinwand

Zusammen mit der Stiftung Fledermausschutz wird allen Interessierten am 24. Juni (noch nicht definitiv), ein Blick in die Wochenstube im Dachstuhl der Kirche Veltheim ermöglicht. Die dort installierte Kamera wird an diesem Abend Bilder auf die Leinwand in der Kirche spielen. Andres Beck wird interessante Informationen dazu abgeben. Die Durchführung ist coronabedingt noch unsicher. Infos unter www.veltheim.ch.

Was tun, wenn man ein verletztes oder geschwächtes Tier findet?

Das Nottelefon der Stiftung Fledermausschutz berät Finder von in Not geratenen Fledermäusen. Erste Hilfe kann Leben retten. Wer eine verirrte, geschwächte oder verletzte Fledermaus gefunden hat, bekommt beim Nottelefon Anleitungen zum weiteren Vorgehen. Eins gleich vorweg – die Fledermaus nur mit Handschuhen oder einem gut schützenden Tuch anfassen. Das Tier kann aus Angst auch zubeissen.

Als Erstes sollte man eine kleine Schachtel bereitstellen, in deren Deckel man kleine Löcher von 3 bis 4 Millimeter schneidet. Dann füllt man locker zerknülltes Haushaltpapier dazu, legt die Fledermaus hinein und verschliesst die Schachtel mit Klebstreifen. Bevor man das Nottelefon 079 330 60 60 oder Andres Beck unter 056 426 19 76 anruft, die Notschachtel an einen ruhigen und kühlen Ort stellen. Wenn die Übergabe an die Pflegestelle länger als zwei Stunden dauert, unbedingt Wasser in die Schachtel stellen. Dieses Vorgehen gilt vor allem für Tiere, die am Boden liegen.

Falls sich die Fledermaus in einem Zimmer aufhält, sollte man alle Fenster öffnen und die Zimmertüre schliessen. Im Winter hingegen funktioniert das nicht, auch dann gehört die Fledermaus in eine Pflegestation. Spezielle Verhaltensweisen gilt es auch bei Findlingen in gefällten Bäumen und Jungtieren zu beachten. Entsprechende Anleitungen erhält man auch hier beim Nottelefon, beim Fledermausschutz Aargau oder auf www.fledermausschutz.ch. Pflegestationen gibt es etwa in Seon und Hallwil.

056 426 19 76: Fledermausschutz Aargau, Andres Beck.

079 330 60 60: Fledermausschutz-Nottelefon der Stiftung Fledermausschutz, c/o Zoo Zürich.

cfr

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