Wenn Eier geworfen statt gesucht werden

Dintikon Die Gemeinde freut sich auf ihr Traditionsfest Eieraufleset, das jeweils am zweiten Sonntag nach Ostern stattfindet. Beim fröhlichen Spektakel treten junge Männer als «Frühling» und «Winter» gegeneinander an.

Die Kostüme der Teilnehmer: Werden nicht willkürlich gewählt, sondern sind ganz bestimmte, jedes Jahr wiederkehrende Figuren. Foto: zvg

Die Kostüme der Teilnehmer: Werden nicht willkürlich gewählt, sondern sind ganz bestimmte, jedes Jahr wiederkehrende Figuren. Foto: zvg

Ob Winter oder Frühling, beide rennen: Der Winter ins Nachbardorf, der Frühling entlang der Eier. Foto: zvg

Ob Winter oder Frühling, beide rennen: Der Winter ins Nachbardorf, der Frühling entlang der Eier. Foto: zvg

Die beim «Gageln» erhaltenen Eier: Werden in einer Linie auf ein Häufchen Spreu auf den Boden gelegt. Foto: zvg

Die beim «Gageln» erhaltenen Eier: Werden in einer Linie auf ein Häufchen Spreu auf den Boden gelegt. Foto: zvg

Kai Meier: Hat früher selbst am Eieraufleset teilgenommen. Foto: zvg

Kai Meier: Hat früher selbst am Eieraufleset teilgenommen. Foto: zvg

Ostern ist zwar vorbei, aber in Dintikon steht der Frühlings-Höhepunkt erst noch bevor. Am 1. Mai findet der beliebte Eieraufleset statt. Anders als der Name vermuten lässt, werden dabei aber nicht bei einem gemütlichen Spaziergang Eier aufgelesen, sondern es geht ziemlich rasant zu und her.

Den Auftakt zu diesem traditionellen Fest bildet das «Gageln». Am ersten Samstag nach Ostern ziehen junge Männer im Alter von 16 bis 20 Jahren von Haus zu Haus und erbitten mit dem unüberhörbaren «Gagaga» Eier- oder Geldspenden. Wer sich geizig zeigt und nichts gibt, findet am nächsten Morgen eine Handvoll Spreu vor seiner Haustür.

101 rohe Eier

Der eigentliche Eieraufleset am zweiten Sonntag nach Ostern beginnt mit einem Umzug der kostümierten Teilnehmer, angeführt von der Musikgesellschaft Dintikon. Auf dem Wettkampflatz werden dann 101 rohe Eier im Abstand von 60 Zentimetern auf ein Häufchen Spreu auf den Boden gelegt. Anschliessend begeben sich die beiden «Weissen», auch «Sommer» und «Winter» genannt, zum Fangtuch und Spreukorb, die sich fünf Meter vor dem ersten ausgelegten Ei befinden. Dort wird die Auslosung vorgenommen. Wer das kürzere Hölzchen zieht, ist der Läufer, der andere der Eieraufleser.

Der Läufer (Winter) muss ins Nachbardorf Villmergen und wieder zurück rennen, während der Eieraufleser (Frühling) ihm ein Ei hinterher wirft und danach mit seiner Aufgabe loslegt. Er begibt sich an den Kopf der Eierreihe und wirft die Eier der Reihe nach in ein aufgespanntes Tuch von 170 mal 250 Zentimetern. Sobald er das Ziel verfehlt, muss er unter dem Herumtreiben der kostümierten Teilnehmer mit dem Rennen beginnen: Pro Ei läuft er einmal vom nächstgelegenen bis zum hintersten. Wenn er das sechste Mal hinten ankommt, kann er dort sechs Eier aufnehmen und diese in den Spreukorb legen. Derjenige Weisse, der zuerst seine Aufgabe erledigt hat, ist der Sieger.

Eigentlich findet der Eieraufleset jedes Jahr statt. Aber wegen der Coronapandemie musste er 2020 und 2021 ausgesetzt werden. Umso grösser ist die Freude, dass der Anlass heuer wieder durchgeführt werden kann. Organisiert wird er vom Verein «Freunde des Eierauflesens», der rund 30 Mitglieder zählt. Auch zahlreiche weitere Helfer sorgen für ein gelungenes Fest.

Grosser Nachholbedarf

Wie viele Zuschauer kommen werden, sei schwierig abzuschätzen, sagt Kai Meier, Dintiker Gemeinderat und Präsident der «Freunde des Eierauflesens». Er hofft auf 500 Leute, schliesslich gebe es aktuell einen grossen Nachholbedarf bei Festen. Die Anzahl Teilnehmer beläuft sich dieses Jahr auf 20. Wie Brauchtumspfleger Patrick Thurnherr erklärt, gebe es zwar schon je nach Jahrgängen Schwankungen bei der Anzahl, aber alles in allem sei es kein Problem, junge Männer aus dem Dorf für den Anlass zu begeistern. «Viele kennen den Eieraufleset schon von klein auf, als sie als Kind mit den Eltern zugeschaut haben», so Patrick Thurnherr. Der Brauch des Eieraufleset wird in mehreren Gemeinden in der Nordwestschweiz gepflegt. Es wird vermutet, dass er aus der Zeit zwischen dem 10. und dem 13. Jahrhundert stammt. Erste fotografische Dokumentationen des Anlasses in Dintikon gibt es aus dem Jahr 1901. Gemäss im Dorf überlieferten Erzählungen fand er aber schon früher statt. Der Ursprung des Eieraufleset liegt wahrscheinlich in der symbolischen Darstellung des Kampfes zwischen Winter und Frühling. Möglich ist auch, dass die Tradition auf zwei Jünglinge zurückgeht, die um die Gunst eines Mädchens buhlten. Nun bleibt den Veranstaltern noch, auf gutes Wetter und viele Zuschauer zu hoffen. Kai Meier gefällt es, dass an das Fest jeweils auch viele Heimweh-Dintiker kommen. «Es ist immer schön, diese Leute dann wieder einmal zu sehen.»

Daten zum Eieraufleset 2022

Der Eieraufleset findet dieses Jahr am 1. Mai statt. Der Umzug startet beim ehemaligen Restaurant Mühle um 13.30 Uhr. Um 14 Uhr beginnt der Wettkampf auf dem Schulhausplatz.

Der Eieraufleset ist eine öffentliche Veranstaltung, die auch Nicht-Dintikern als Zuschauer offensteht. Eine Anmeldung ist nicht nötig und auch Eintritt wird keiner erhoben. (dbl)

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