Von Brennnesseln, Erbsen und Buchweizen
Möriken-Wildegg Auf Schloss Wildegg führen Expertinnen und Experten der Stiftung Pro Specie Rara sonntags durch den vielfältigen Garten des Anwesens. Wer interessiert ist an Saatenvermehrung und besonderen Sorten, ist hier genau richtig.
Als Brigitta Laimbacher, die an diesem Sonntagvormittag durch den Garten führt, vorsichtig ein Blatt der Grossen Brennnessel abzupft, kurz darüberstreicht und dann sogar ein Stückchen davon isst, staunen nicht wenige der Gartenbesucher. «Aber das brennt doch», spricht eine Interessierte aus, was vermutlich alle denken. Laimbacher lacht und verrät einen Trick: «Wenn man die Brennhaare abstreicht, geht es.» Darauf eine weitere Besucherin amüsiert: «Aha, also erst streicheln, dann anfassen.» Weiter erfahren die Teilnehmenden der Führung, wie vielfältig die Grosse Brennnessel nutzbar ist. «Sie ist hilfreich gegen rheumatische Beschwerden. Daraus lässt sich auch Tee herstellen», verrät die Expertin von Pro Specie Rara. «Die Samen sind nährstoffreich, also Powerfood, das nicht importiert werden muss.» Ausserdem seien die Fasern der Brennnessel überraschend fein, daraus liesse sich sogar Kleidung herstellen. Ebenso interessant das Seifenkraut, das seinen Namen nicht ohne Grund hat, wurde es doch in früheren Zeiten zum Putzen und Waschen verwendet.
Bei der Begrüssung im Garten freut sich Brigitta Laimbacher über die zahlreichen Besucherinnen und Besucher, rund 15 Personen haben sich an der untersten Terrasse des Gartens versammelt. Gleich zu Beginn verdeutlicht die Gartenexpertin: «Es ist ein lebendiger Nutzgarten, hier wird angepflanzt und auch geerntet.» Pro Specie Rara habe vor etwa 30 Jahren übernommen, sie selbst mache seit gut 20 Jahren Führungen. «Die Idee ist, alte Sorten zu erhalten und vorzustellen», erläutert sie das Vorhaben der Stiftung. Wichtig sei dabei auch, Saatgut mit den genetischen Grundlagen zu erhalten. Grosse Saatgutproduzenten hätten eher das Ziel, ihre Produkte so zu vermarkten, dass beständig neue Saat bei ihnen nachgekauft werden muss.
Als ein Beispiel für Saatgutgewinnung stellt sie die Schwarzwurzel vor: «Bei der Ernte wird geschaut, welche der Wurzeln besonders gut gewachsen sind. Diese werden erneut eingepflanzt, von der daraus wachsenden Pflanze wird schliesslich die Saat geerntet.» So ein Vorgang nehme zwei Jahre in Anspruch. Der Museumsgarten werde immer anders bepflanzt, aktuell sei das Gartenthema Hülsenfrüchte, so Laimbacher. Aus einer Kiste holt sie zum Anschauen mehrere kleine Glasbehälter mit verschiedenen Sorten hervor. Interessiert schauen sich die Teilnehmenden diese an. Dabei erfahren sie, dass in Funden von Keramikscherben eingebrannte Erbsenmusreste nachgewiesen werden konnten: «Das war 7000 vor Christus. Die Erbsen, welche wir heute kaufen, sind seit etwa 400 Jahren bekannt.» Und wer hätte gedacht, dass die grünen Erbsli zur Zeit des französischen Sonnenkönigs ein Modetrend waren, den sich nur die Vermögenden leisten konnten?
Im Garten stellt die Expertin viele weitere Sorten vor, nimmt sich Zeit für Fragen und gibt historische Hintergründe anschaulich wieder. «Buchweizen ist kein echtes Getreide, wurde aber häufig angebaut», erklärt Brigitta Laimbacher. Besonders bei der ärmeren Bevölkerung sei die Pflanze beliebt gewesen, da viele Getreidesorten teuer und mit Abgaben belastet waren. Zudem wächst Buchweizen auch auf kargen Böden. Solche und viele weitere spannende Einblicke in die Gartenkultur erhalten die Besuchenden des Schlossgartens.
Führungen: Jeden Sonntag bis am 14. September. Mehr dazu: www.museumaargau.ch/schloss-wildegg/event/fuehrung-durch-den-barockgarten