Vom Bözberg mit Bahn und Förderband in die Oberegg
Auf den Tunnelbaustellen der SBB im Eppenberg und im Bözberg entstehen nicht nur Löcher, es wachsen auch Berge. Täglich können sich beim Tunnelbau viele hundert Tonnen Ausbruchmaterial ansammeln.
Nun geht die Jura-Cement-Fabriken AG (JCF) neue Wege beim «Recycling» dieses Nebenprodukts: Nach kurzer Fahrt per Güterwagen und Weitertransport auf dem Förderband setzt sie das Gestein aus den Tunnelbaustellen künftig zur Auffüllung des Steinbruchs Oberegg ein.
Vor drei Jahren fällte die JCF mit den beteiligten Gemeinden und dem Kanton einen Entschluss. Die nicht mehr genutzte Grube in der Oberegg sollte nicht einfach der Natur überlassen werden. Man entschied, das Gebiet wieder ganzheitlich als Landwirtschafts- und Naturraum herzustellen.
Zur Auffüllung der 30 Meter tiefen Grube sind allerdings Unmengen Gesteinsmaterial nötig – rund 3 Millionen Kubikmeter. Die JCF präsentierte mehrere Vorschläge, wie ein Projekt dieser Grössenordnung realisiert werden könnte. Die nun umgesetzte Lösung schwang obenauf, weil sie maximale Rücksicht auf die Umwelt und Nachbarschaft nimmt.
Auf leisen Sohlen in die Oberegg
Im vergangenen September begann die JCF mit dem Bau der imposanten Förderbandanlage von rund zwei Kilometern Länge. Die erheblichen Kosten von rund 15 Millionen Franken für das gesamte Projekt nahm die JCF in Kauf, um beispielsweise besonders geräuscharme Rollen zu installieren und das Förderband wo nötig einzuhausen.
Doch bevor das Gestein hoch über den Köpfen der Steinbrucharbeiter in die Oberegg schweben kann, hat es bereits eine Bahnreise ins Zementwerk Wildegg hinter sich. Dort wurde eigens für das Auffüllungsprojekt ein Entladebahnhof gebaut. Marcel Bieri, Leiter Produktion Zement Schweiz bei der JCF, erklärte: «Hier können täglich bis zu 5000 Tonnen Auffüllmaterial angeliefert werden.»
Das neue Förderband trägt das Material dann über die Aare und weiter durch den Steinbruch Jakobsberg hinauf in die Oberegg. Insgesamt sind 14 Richtungsänderungen nötig, um das Auffüllmaterial möglichst ohne Lärm und Staub für die Umgebung an seinen Bestimmungsort zu bringen. Die Förderanlage wird am 22. Juni eingeweiht. Nach einer Testphase startet der Auffüllbetrieb im Frühling 2018. Bis in 15 Jahren soll der Steinbruch Oberegg aufgefüllt sein.
Auffüllung mit Pioniercharakter
Das Projekt ist ein wichtiges Element in der Entwicklung der Steinbrüche des Werks Wildegg, wo die JCF Kalk als Rohstoff für die lokale Zementherstellung gewinnt. Das heutige Steinbruchgebiet ist rund 80 Hektaren gross, wobei in einigen Bereichen kein Abbau mehr stattfindet. Ein Stück im Osten ist bereits als Wald renaturiert. Daneben wachsen rund 800 Apfelbäume.
Künftig sollen weitere Auffüllungen folgen. Denn um den Weiterbetrieb des Zementwerks Wildegg für die nächsten 25 Jahre zu sichern, will die JCF gemeinsam mit dem Kanton und den Gemeinden und im Dialog mit der Bevölkerung eine nachhaltige Entwicklungsplanung vereinbaren. Diese soll transparente, endgültige Obergrenzen für den Abbau festschreiben und die notwendige Erschliessung weiterer Rohstoffreserven ermöglichen. Gleichzeitig stellt der umfassende Entwicklungsplan der JCF sicher, dass die offene Steinbruchfläche künftig immer weiter schrumpft – unter anderem durch Auffüllungsprojekte.
Steiniger Weg zur Lösung
Bis jedoch ein Steinbruch rekultiviert oder renaturiert werden kann, sind – wie sich in der Oberegg zeigte – viele Widerstände abzubauen, zeitaufwendige Vorarbeiten zu leisten und nicht zuletzt grosse Investitionen zu tätigen. Doch, so findet Marcel Bieri, das Engagement zeige Wirkung. «So wird die Oberegg wieder zu einem Naherholungsgebiet.»
Wird ein Steinbruch renaturiert, entstehen Lebensräume für Tiere und Pflanzen, darunter auch seltene Arten. In den Felswänden finden Vögel geeignete Nistplätze, in Senken entstehen naturnahe Feuchtbiotope für Wasserpflanzen und Amphibien. «An den Böschungen wachsen schon heute Blumen aller Arten», freut sich Bieri über die Vielfalt der Natur im Steinbruch. «Sogar Gämsen locken immer wieder Wanderer und Fotografen an.» Nach einer Auffüllung wird das Landschaftsbild nach den Vorgaben der Gemeinden wieder hergestellt – beispielsweise als Ackerland, Naturschutz- oder Naherholungsgebiet.
Durch die Auffüllung der Oberegg wird in absehbarer Zeit ein attraktives Landstück wieder für die Land- und Forstwirtschaft nutzbar gemacht. Als fruchtbarer Mutterboden dient der vor dem Abbau entnommene und gelagerte Humus. In regelmässigen Mitteilungsblättern informiert die JCF über den Verlauf der Steinbruchentwicklung. Es wird interessant sein zu verfolgen, wie die Natur im Laufe der Zeit die Oberegg mit neuem Leben auffüllt.