Start-up bietet intelligente E-Ladestationen an
Hendschiken In zehn Jahren dürften mindestens drei von vier Autos, die in der Schweiz neu zugelassen werden, einen Stecker haben. Hier kommt das Start-up mygrid ins Spiel: Das Jungunternehmen will das Laden von E-Autos zum Kinderspiel machen.
Rund 110000 Elektrofahrzeuge waren Ende 2022 auf den Schweizer Strassen unterwegs. Hinzu kommen mehr als 280000 Hybrid- und Plug-in-Hybrid-Autos.
Das ist gemessen am Gesamtmarkt noch wenig: insgesamt acht Prozent. Aber: Die Zahl der neu verkauften Elektroautos in der Schweiz nimmt stetig zu – laut Touring Club Schweiz (TCS) sogar schneller als prognostiziert.
Angesichts des technischen Fortschritts, der zunehmenden gesellschaftlichen Akzeptanz und der immer grösseren Auswahl an Elektrofahrzeugen schreitet die Entwicklung der Elektromobilität schneller voran als erwartet.
Wo die Schweiz jedoch hinterherhinkt, ist bei privaten Ladeinfrastrukturen, also der Möglichkeit, das Elektroauto zuhause zu laden.
Start-up für private Ladestationen
Die meisten Menschen würden sich wünschen, ihr E-Auto zu Hause anstatt auf der Strasse zu laden. Doch in der Schweiz, einem Land der Mieter und Stockwerkeigentümer, ist das Aufladen zuhause von den Immobilienbesitzenden abhängig.
Diese entscheiden, ob eine Ladestation in die Tiefgarage eingebaut werden darf. Besonders Stockwerkeigentümer sind vom Ausbau jedoch oft überfordert. «Gerade in Kombination mit einer Photovoltaikanlage und dem Zusammenschluss zum Eigenverbrauch kann eine Überforderung auftreten», erklärt Stefan Funk.
Der Hendschiker hat einen Master in Energie, Umwelt und natürliche Ressourcen und war viele Jahre in der Schweizer Energielandschaft tätig, zuletzt bei einem grossen Zürcher Energieunternehmen.
Suche nach Innovationen
Immer auf der Suche nach Innovationen und Verbesserungen hat er sich im März dieses Jahres mit dem Start-up mygrid selbstständig gemacht. «Wir bieten clevere Komplettlösungen für Ladeinfrastrukturen in Wohn- und Gewerbeliegenschaften. Eigentümer und Verwaltung müssen sich um nichts kümmern, wir übernehmen die gesamte Koordination, auch für die Grundinstallation», erklärt er.
Dabei seien die Mieter vom Goodwill der Vermieter oder Eigentümer abhängig. Genau hier setzt mygrid an: «Mieter, die keine Ladestation in ihrer Überbauung haben, können sich bei uns melden. Wir suchen anschliessend den Kontakt zur Verwaltung und haben so die Möglichkeit, den Prozess etwas ins Rollen zu bringen», so Funk.
Einige Verwaltungen verbieten Ladestationen zwar nicht, verpassen aber die Gelegenheit, vorgängig ein Gesamtkonzept zu erstellen. Das führt zu Einzellösungen, die später nicht intelligent gesteuert werden können. Hinzu kommen typisch föderale Herausforderungen. Zudem braucht es für Ladestationen meist neue Leitungen oder Netzanschlüsse, dabei variieren die Bedingungen und Förderungen wie in der Schweiz üblich von Ort zu Ort und von Kanton zu Kanton.
Laden für alle?
Um die Situation zu verbessern, reichte GLP-Nationalrat Jürg Grossen im Frühling 2021 eine Motion ein und forderte ein «Recht auf Laden» für alle. Dabei sollen alle Anspruch auf den Zugang zu einer Ladestation erhalten – und die Verwaltungen gleichzeitig das Recht, das Ladesystem vorzuschreiben. Das ist mittlerweile zwei Jahre her. Seither ist nichts geschehen. Da die Motion nun zwei Jahre alt ist, wurde sie kürzlich ordnungsgemäss abgeschrieben.
«Dass die Motion aktuell vom Tisch ist, ist sehr schade», sagt Funk. «Nun sind alle Akteure gefordert, weiter Transparenz zu schaffen und Hindernisse zu reduzieren.» Trotzdem: Das aktuelle Feedback aus dem Immobilienmarkt stimme ihn zuversichtlich. «Wichtig ist, dass sich die Mieter weiterhin bemerkbar machen und den Druck hochhalten», so Funk.
Vorteile für Vermieter gebe es viele: Ladestationen seien wirtschaftlich spannend, denn wer seinen Mietern Ladestationen bietet, ist gegenüber der Konkurrenz attraktiver. Das steigert den Wert der Immobilie. Zusätzlich sind Ladestationen eine tolle Absatzmöglichkeit für Photovoltaikanlagen, was die Rentabilität steigert. «Die Mobilität wird elektrisch. Es ist wichtig, dass die Eigentümer aufstocken und die Infrastruktur in den Liegenschaften ermöglichen», sagt der Jungunternehmer.
Zuhause laden ist günstiger
Elektroautos an öffentlichen E-Tankstellen aufzuladen, lässt sich bei langen Strecken nicht vermeiden. Es ist immer teurer, als das Auto zuhause aufzuladen. Wer die eigene Ladestation benutzt, fährt also billiger.
Halböffentliche Ladestationen lassen sich bequem von Lieferanten, Mitarbeitenden und Besuchern teilen und bequem bezahlen via Kreditkarte oder Apple Pay. Und zuhause lässt sich das Laden dank einer selbstentwickelten App intelligent steuern. Intelligent, weil sich mit der App vom Ladevorgang bis zum Abrechnen alles steuern lässt.
Dabei arbeitet das Hendschiker Start-up, das zurzeit vier Mitarbeitende beschäftigt, mit verschiedenen Energieversorgern und Elektroinstallateuren zusammen. Das Angebot umfasst das Betreiben von Ladestationen für den privaten und halböffentlichen Bereich. Entsprechend stehen viele Ladestationen bei Mehrfamilienhäusern und Bürogebäuden, etwa bei einer Immobilie der Karl Gisi AG in Dottikon.
50 Prozent E-Autos bis 2035
Die Zahl potenzieller Kunden für das Angebot dürfte stetig steigen. Je nach Szenario rechnet der TCS bis 2030 mit über 50 Prozent E-Autos und Plug-in-Hybriden bei den Neuzulassungen.
Es scheint, als hätte Stefan Funk mit seinem Start-up den richtigen Riecher bewiesen.
Internet: www.mygrid.ch.