Hüterin des raren Saatguts
Möriken-Wildegg Im Garten von Eva Zurlinden scheinen die Uhren anders zu ticken, mehr Insekten zu fliegen, mehr Pflanzen zu blühen. Die Sozialpädagogin pflanzt dort alte Pflanzensorten an – aus Überzeugung.
Sie tragen exotische Namen wie Wagnerapfel, Inkagurke und Etagenzwiebel und stehen – gemeinsam mit 4’700 weiteren Sorten – auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Pflanzenarten in der Schweiz. Für ihren Erhalt setzt sich die Stiftung Pro Specie Rara ein; das Wissen dazu gibt die Stiftung in Kursen an ehrenamtliche Helfer weiter. Denn: Die Stiftung selbst kann nur einen kleinen Teil der Sorten selbst anbauen.
Damit die Sorten an unterschiedlichen Orten in der Schweiz angebaut und vermehrt werden können, unterhält die Stiftung ein Erhalternetzwerk von rund 1500 freiwilligen Personen, die sich der Vermehrung der alten Kulturpflanzen angenommen haben.
Einsatz für mehr Biodiversität
Fruchtig, aber auch herb und würzig, erdig und süss: Im Garten von Eva Zurlinden wird man von den eigenen Sinnen fast übermannt. Die 39-Jährige ist eine der Sortenerhalterinnen aus dem Netzwerk von Pro Specie Rara: Rund 15 Sorten baut sie in der «Gartenfabrik», unweit der Jura-Cement-Fabriken AG, in Wildegg an, darunter Bohnen- und Chilischoten, Salate, Gartenmelden, Linsen, weissen Mohn und allerlei Tomaten.
Zur Saatgutvermehrung lässt Zurlinden die Pflanzen möglichst lange wachsen – bis sie überreif sind. Dann können die Samen gewonnen werden. Einen Teil behält sie, den anderen gibt sie an die nationale Samenbibliothek von Pro Specie Rara zurück.
Gartenarbeit als Therapie
Wer im Garten aktiv ist, bleibt körperlich fit, steht im Kontakt mit der Erde und dem Leben. Genau hier setzt Zurlinden an. In ihrem Garten verbindet die gelernte Sozialpädagogin seit drei Jahren ihren Beruf mit ihrer Gärtnerleidenschaft und bietet ein breites Beratungs- und Therapieangebot für Einzelpersonen, Familien und Paare an.
Das Gärtnern biete Halt und Orientierung, allein schon durch den vertrauten, immer wiederkehrenden Lauf der Jahreszeiten, so Zurlinden. Ein weiterer positiver Effekt: Die Menschen kümmern sich im Garten aktiv um etwas. Jäten, säen, pflanzen und schneiden: Gärtnern fördere nicht nur den Körper, sondern sei auch Balsam für die Seele. «Dabei ist das Gärtnern Mittel zum Zweck», stellt Zurlinden klar. «Es geht vor allem um den Menschen in der Natur.»
Trend zum Gärtnern hält an
Viele hat es während der Corona-Pandemie nach draussen gezogen. Auch heute hält der Trend zum Hobby-Gärtnern und Selbstversorgen an, weiss Zurlinden, die neben Coaching und Beratung auch Seminare sowie eine Garten-Spielgruppe leitet und diverse Gärtnerkurse anbietet. «Der Zeit- und Platzbedarf ist nicht zu unterschätzen», so Zurlinden. Als Samenerhalterin kontrolliert Zurlinden ihre Pflanzen regelmässig; nur die besten Pflanzen werden zur Vermehrung genutzt. Hinzu kommt das Aufbinden mancher Sorten, das Mulchen, die Samengutgewinnung – im Garten von Eva Zurlinden gibt es viel zu tun.Und dennoch – als Arbeit empfindet die dreifache Mutter ihren Garten nicht. «Ich bin glücklich darüber, meine Leidenschaft zum Beruf gemacht zu haben und Menschen zu unterstützen, sich wieder mehr mit sich und der Natur zu verbinden», sagt Zurlinden und blickt zufrieden auf ihren kleinen Garten Eden.
Mehr zur «Gartenfabrik» unter www.gartenfabrik.ch.