Hochwasserschutzprojekt in der Kritik

Möriken-Wildegg Das Traktandum 5 der Einwohnergemeindeversammlung wird kontrovers diskutiert.

Überschwemmung: Starke Regenfälle führten 2016 zu Hochwasser in Möriken-Wildegg. Foto: zvg
Überschwemmung: Starke Regenfälle führten 2016 zu Hochwasser in Möriken-Wildegg. Foto: zvg

An der Einwohnergemeindeversammlung am 15. Juni wird über einen Verpflichtungskredit von 3,5 Millionen Franken für die Realisierung eines Hochwasserschutzes im Mörikerfeld abgestimmt. Hintergrund sind die Starkregenereignisse im Jahr 2016, bei denen Teile des östlichen Gemeindegebietes von massiven Überschwemmungen betroffen waren.

Nach dem Ereignis beauftragte der Gemeinderat das Ingenieurbüro Hunziker, Zarn und Partner AG mit der Ausarbeitung einer Situationsanalyse und von Massnahmen. «Die Variante mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis ist die Anlegung eines neuen Baches am Siedlungsrand», heisst es in der Einladung zur Einwohnergemeindeversammlung. Konkret sieht das Vorhaben so aus, dass im Mörikerfeld die eingedolten Bäche Hintergraben, Geerenacher und Birenacher zusammengeführt und in einem offenen Bachbett Richtung Bünz geleitet werden sollen. Der neue Bach fliesst entlang des Winkelwegs Richtung Bruneggerstrasse und unterquert diese in einer Röhre. Entlang des Hübelwegs wird der Bach offen bis zur Bünz abgeleitet.

Angst vor grossen Mehrkosten

Doch es gibt kritische Stimmen dazu (siehe Leserbrief im Lenzburger Bezirks-Anzeiger vom 27. Mai). Sergio Caneve, alt Gemeindeammann von Möriken-Wildegg, ist das Vorhaben ebenfalls ein Dorn im Auge. Er stört sich insbesondere daran, dass der Gemeinderat nur ein Vorprojekt vorlegt, was noch vieles offenlässt. «Der Stimmbürger weiss nicht, was da genau zugestimmt werden soll», sagt er. Weitere Kritikpunkte führt er in einem Schreiben auf, das er der Redaktion des Lenzburger Bezirks-Anzeigers zugestellt hat. Wenn der Kredit bewilligt sei, könnten erhebliche Mehrkosten (bis zu 20 Prozent) auftreten. Auch wie hoch die Unterhaltskosten für die Pflege des Baches ausfallen würden, sei unklar.

Weiter bemängelt Sergio Caneve, dass beim Projekt ein zusätzlicher Bach gemacht wird, anstatt dass die bestehenden Bachläufe saniert werden. Dieser neue Bach werde im kiesigen Untergrund aber nur bei extremen Hochwasserereignissen Wasser führen, womit in der Landschaft ein grosser Graben zu sehen sei.

«Der Hochwasserschutz wird mit dem vorliegenden Vorprojekt nur in einem kleineren Teilgebiet der Bauzone geschaffen. Der grössere Teil der in der Gefahrenkarte Hochwasser eingezeichneten Gebiete wird dadurch nicht sicherer vor Hochwasser», so Sergio Caneve. Zudem entstünden beim Graben gefährliche Böschungen.

Als weiteres Argument gegen das Vorhaben führt Sergio Caneve an, dass für den Graben 1,37 Hektaren Land benötigt werden. «Neben einem Gewässer kann zusätzlich die landwirtschaftliche Nutzung auf beiden Seiten auf einer Breite von je 12 Metern eingeschränkt werden». Und er fügt an: «Der effektive Landverschleiss auf Kosten der Landwirtschaft kann somit 5 Hektaren wertvollstes Kulturland (Fruchtfolgefläche) betragen.»

Zudem würden die grössten Teile des Alpwegs und des Winkelwegs aufgehoben werden. «Im Übersichtsplan in der Botschaft des Gemeinderats ist die Aufhebung dieser Feldwege nicht eingezeichnet», kritisiert Sergio Caneve.

«Mit der Bewilligung des Kredits gibt der Stimmbürger seine Einflussmöglichkeit aus der Hand. Von den Direktbetroffenen vorgeschlagene Projektverbesserungen wurden bisher vom Gemeinderat nicht berücksichtigt. Deshalb muss dieses Geschäft zurückgewiesen werden mit dem Auftrag, ein vernünftiges Projekt zum Hochwasserschutz zu erarbeiten», so Sergio Caneve. «Denn der Schutz vor Hochwasser kann mit geschickter Nutzung der vorhandenen Topografie und mit wenig Eingriffen geschaffen werden.»

Das Projekt sei in den Plänen aus dem Jahr 2020 tatsächlich als Vorprojekt markiert, räumt Jeanine Glarner, Frau Gemeindeammann von Möriken-Wildegg, ein. Allerdings sei man in der Projektplanung viel weiter, so dass bei Kreditgenehmigung in die Bewilligungsphase und die Ausführung gestartet werden könne. Am Bachlauf sowie an den Kunstbauten werde sich nichts mehr ändern, deshalb bestünde auch nicht die Gefahr von Mehrkosten von bis zu 20 Prozent. «Im Gegenteil», sagt sie, «die 3,5 Millionen Franken sind eher zu hoch angesetzt.» Die Unterhaltskosten beziffert sie auf maximal 6000 Franken pro Jahr. «In einem technischen Bericht wurden verschiedene Varianten geprüft. Auch das Durchleiten der drei Bäche in drei Leitungen und das Errichten von Dämmen wurde untersucht. Letzteres hätte allerdings einen grossen Eingriff ins Landschaftsbild bedeutet (inklusive viel Landverlust). Das Durchleiten durch das Siedlungsgebiet wäre weder technisch machbar noch rechtlich erlaubt gewesen, so Jeanine Glarner. Das sei Sergio Caneves Meinung, findet sie zur Kritik, der Hochwasserschutz werde nur in einem kleinen Teilgebiet der Bauzone geschaffen. «Der technische Bericht zeigt klar auf, dass das vorliegende Projekt den Hochwasserschutz in den als mittlere Gefährdung gekennzeichneten Gebieten sicherstellt. Und in den anderen Gebieten wird die Hochwassergefahr reduziert.»

Landwirte erhalten Ersatz fürs Land

Der Aussage, dass neben dem Gewässer die landwirtschaftliche Nutzung auf beiden Seiten auf einer Breite von je 12 Metern eingeschränkt werden kann, widerspricht sie entschieden. «Bewirtschaftungseinschränkungen gibt es auf beiden Seiten auf 6 Metern ab Uferlinie. Dort dürfen keine Pflanzenschutzmittel eingebracht werden. Auf 50 Prozent der Bachlänge besteht diese Einschränkung sogar nur einseitig.» Das zeige, dass der Gemeinderat das Projekt unter dem Aspekt der Landschonung geplant habe. Die Landwirte erhielten zudem einen Eins-zu-eins-Realersatz für ihr Land.

Würde das Projekt nicht realisiert, müssten die heute eingedolten Bäche aufgrund bundesrechtlicher Bestimmungen früher oder später im Zuge von Sanierungen sowieso offengelegt werden, was fast gleich viel Landverlust wie beim Hochwasserschutzprojekt bedingen würde. «Mit dem Projekt schaffen wir den Hochwasserschutz, eine ökologische Vernetzung und wir können heute bestimmen, wo wir den Bach wollen.» Auch dass die grössten Teile des Alpwegs und des Winkelwegs aufgehoben würden, sei nicht korrekt, sagt sie. Zwar sei dies vorgesehen gewesen, auf Wunsch der Landwirte sei man davon aber wieder abgekommen. Weitere Wünsche seien geprüft worden, hätten sich jedoch als nicht bewilligungsfähig herausgestellt.

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