Flüsternde Bänke
Möriken-Wildegg Eine Kunstinstallation erzählt Geschichten vom Anderssein.
Seit Montag steht auf dem Yul-Brynner-Platz in Möriken-Wildegg eine besondere Bank. Die aus hellem Holz gezimmerte überdachte Sitzgelegenheit lädt ein, zu verweilen und den Stimmen zu lauschen, die aus ihr erklingen.
Die Kunstinstallation ist Teil des Projektes «Whispering Benches – Unfortunately, It Was Paradise» (Flüsternde Bänke – Leider war es das Paradies) von Ishita Chakraborty. Ihr ist es wichtig zu betonen, dass es sich dabei um ein Gemeinschaftsprojekt handelt. Schliesslich waren verschiedene Personen daran beteiligt von Kurator Gianni Jetzer über Häftlinge der Justizvollzugsanstalt Cazis Tignez bis hin zu den Personen, die den Bänken ihre «Stimme» gegeben haben.
Als während der Coronapandemie viele Anlässe und Freizeitaktivitäten nicht mehr möglich waren, reifte in Ishita Chakraborty die Idee, etwas für die Leute an öffentlichen Orten zu machen. Inspiriert wurde sie durch die zweisprachige Anthologie arabischer Gedichte von Mahmoud Darwish «Unfortunately, It Was Paradise». «Meine indischen Freunde oder Familienmitglieder sagen mir oft, dass ich im Paradies lebe», sagt die gebürtige Inderin. «Die widersprüchliche Interpretation dieser etwas naiven Auffassung, dass ich hier im Paradies gelandet sei, beschäftigt mich», so die Künstlerin, die seit dreieinhalb Jahren in Möriken-Wildegg wohnt. Ausserdem könne das Paradies auch ein Gefängnis sein, fügt sie an. «Wir alle sind Gefangene der Liebe, der Wut, unseres Wunsches nach einem höheren Lebensstandard.» Entsprechend hat sie die Bänke gemeinsam mit Häftlingen der Justizvollzugsanstalt Cazis Tignez in Graubünden hergestellt.
Whispering Benches sind nicht nur in Möriken-Wildegg zu finden, sondern auch in Baden und Lengnau. Die Stimmen aus ihrem Innern erzählen die Geschichten von Menschen, die von anderswo hierher gekommen sind. Erinnerungen, Gedichte oder Lieder schaffen imaginäre Begegnungen. «Die ursprüngliche Idee ist es, die Stimmen von unter uns lebenden Minderheiten hörbar zu machen, den Widerstand in den Stimmen zu erforschen und die Praxis des Zuhörens als einen transformativen Prozess in Bezug auf Auswirkungen, koloniale Vergangenheit und Macht zu untersuchen», erklärt Ishita Chakraborty.
Wie es ist, in der Fremde neu anzufangen, hat sie selbst erlebt. Nach einem längeren Aufenthalt in der Schweiz 2017 merkte sie, dass es Zeit war, zu verlassen, was sie in Indien kannte, und kam ein Jahr später dauerhaft hierher. Aus der Anfangszeit hat sie viele prägende Erfahrungen mitgenommen sowohl von der Autonomen Schule in Zürich, wo sie Deutsch lernte, als auch von ihrer Arbeit als Küchenhilfe in einem Hotel.
Mittlerweile arbeitet Ishita Chakraborty hauptberuflich als Künstlerin. Früher unterrichtete sie an der Amity University Kolkata in Indien als Assistenzprofessorin für Bildende Kunst. Sie hofft, in Zukunft auch in der Schweiz unterrichten zu können. Die Bänke bleiben noch bis zum 22. Mai. Unterstützt wurde das Projekt von Pro Helvetia.