Durch Vertrauen gemeinsam mehr erreichen

Möriken-Wildegg An einer Gesprächsrunde am 7. November ging es in Anbetracht der Diskussionen betreffend den Austritt von Möriken-Wildegg aus dem Gemeindeverband Soziale Dienstleistungen Region Lenzburg (SDRL) um den Mehrwert einer Zusammenarbeit im Verbund gegenüber einem Alleingang durch einzelne Gemeinden.

Das Rednerteam der Gesprächsrunde.Foto: Peter Winkelmann

Das Rednerteam der Gesprächsrunde.Foto: Peter Winkelmann

Josef Niederberger, Präsident SDRL.Foto: zvg

Josef Niederberger, Präsident SDRL.Foto: zvg

Der Gemeindeverband SDRL übernimmt für die 18 Verbandsgemeinden aus dem Bezirk Lenzburg verschiedene Aufgaben wie die Führung von Beistandschaften für Kinder und Erwachsene, die Jugend- und Familienberatung oder die Mütter- und Väterberatung. Josef Niederberger, selbst wohnhaft in Möriken-Wildegg, lud als Präsident Fachpersonen ein, um die Frage zu diskutieren, weshalb es sich für Gemeinden lohnt, im Verbund im sozialen Bereich zusammenzuarbeiten. Am Tisch sassen neben Franziska Haltinner und Thomas Etter aus der Geschäftsleitung SDRL auch Sandra Wey, Präsidentin der Vereinigung Aargauischer Berufsbeiständinnen und -beistände (VABB) und Co-Präsidentin des Verbandes Jugend- und Familienberatungen Kanton Aargau (VJFB). Kathrin Härdi, bekannt als langjährige Gemeindepräsidentin der Gemeinde Brunegg und Inhaberin der Beratungsfirma «härdiberatung», sowie Daniel Aeschbach, Geschäftsführender Präsident des Bezirksgerichts Lenzburg, bereicherten den Fachaustausch ebenfalls.

Stark veränderte Gesellschaftsentwicklung

Die Arbeit im Kindes- und Erwachsenenschutz hat sich in den letzten Jahren stark intensiviert. Gemäss Aeschbach haben physische wie psychische Gewalt und Eskalationen zugenommen. Respekt und Autorität gegenüber Behörden oder Beamten wie Politikern oder Polizei hat stark nachgelassen. Dagegen ist die Erwartungshaltung der Leute gestiegen – wie soll es weitergehen? Gemäss Sandra Wey braucht es deutlich mehr spezialisierte Fachpersonen. In einem Verband wie dem SDRL werden fachliche Kompetenzen gebündelt. So entsteht ein Team mit breiter Expertise, das flexibel und bedarfsorientiert in Krisen unterstützen kann. Ein einzelnes Gemeindeangebot kann diese Breite an Kompetenzen kaum abdecken.

Warum braucht es den Verband SDRL?

«Was sind die Hintergründe, dass Gemeinden diese Verantwortung nicht mehr allein tragen können?», fragte Härdi in die Runde. Gemäss Haltinner und Etter sind die Anforderungen an die Aufgaben laufend anspruchsvoller geworden. Die Fälle sind komplexer, es gibt mehr Personen mit psychischen Erkrankungen, mehr familiäre Belastungen. Auch die Anzahl der älteren Personen nimmt zu, welche mehr Unterstützung benötigen. Oft braucht es eine Koordination des breiten Helfernetzes, aber auch anderes wie zum Beispiel höhere Anforderungen an Dokumentationspflichten verursachen einen höheren Aufwand. Wey ergänzt, dass keine Gemeinde heute alle Fachbereiche abdecken kann. Es geht dabei nicht darum, Verantwortung abzugeben, sondern sie verbindlich zu organisieren. In einem regionalen Verband können nicht nur klare Strukturen geschaffen, sondern auch Stabilität und Kontinuität bei personellen Veränderungen gewährleistet werden. Haltinner meint, dass Erwachsenenschutz und Kindesschutz zwei verschiedene Arbeitsgebiete sind und deshalb eine Spezialisierung nötig ist: «Im Erwachsenenschutz geht es um Themen wie Versicherungen, Buchhaltungen oder Erbteilungen für Personen, denen es aktuell nicht gelingt, ihre Angelegenheiten selbstständig zu bewältigen. Im Kindesschutz geht es darum, Eltern zu stärken und zu unterstützen, damit sie für ihre Kinder wieder gut sorgen können. Es geht um Themen wie Elternberatung, Platzierungen von Kindern oder das Vermitteln bei hochstrittigen Eltern.» Etter ergänzt: «Eine Beistandsperson braucht viel Erfahrung und eine Zusammenarbeit in einem spezialisierten Fachteam ist deshalb wichtig.»

Laut Härdi können die gesellschaftlichen Entwicklungen nicht zurückgedreht werden. Die Gemeinden werden zunehmend belastet, der Kanton wälzt Kosten immer mehr auf diese ab. Sandra Wey erklärt dazu, dass die Bevölkerung stetig wächst, die Fallzahlen und deren Komplexität jedoch im Vergleich zum Bevölkerungswachstum deutlich stärker zunehmen. Wenn der Kanton mehr Verantwortung auf die Gemeinden überträgt, müssen diese stärker werden – nicht schwächer. Der Verbund ist kein Kostenfaktor, sondern eine Investition in Stabilität und Fachkompetenz. Wer sich isoliert, riskiert am Ende höhere Folgekosten und weniger Wirkung.

Nach guten Lösungen suchen

«Was sind gute Lösungen, die finanzierbar sind?», fragte Etter. Für den Verband ist es laut Haltinner wichtig, hilfesuchenden Personen niederschwellige professionelle Angebote anzubieten, damit weitergehende, teure behördliche Massnahmen verhindert werden können. Verbindlichkeiten schaffen, spezialisiertes Wissen weitergeben und ein grosses Netzwerk nutzen. All dies kann durch die Grösse des SDRL mit seinen rund 60 Mitarbeitenden aus verschiedenen Fachbereichen wie Finanzen, Soziale Arbeit, Recht und anderen geleistet werden.

Das Fazit von Daniel Aeschbach zu dieser interessanten Tischrunde: «Nur wegen der Kosten lohnt sich ein Ausstieg nicht – das haben wir am Beispiel der Gemeinde Schafisheim gesehen», und Josef Niederberger ergänzt: «Ich bin überzeugt, dass die Zusammenarbeit der Gemeinden in einer Verbandslösung vor allem bezüglich Effizienz, der Nutzung von Synergien und der Vernetzung richtig und wichtig ist – zusammen können wir sicher mehr erreichen.»

Was bedeutet der an der Gemeindeversammlung vom 24. November traktandierte Austritt von Möriken-Wildegg aus dem SDRL?

Um die Bevölkerung über die andere Sichtweite und mögliche Auswirkung dieses Entscheids zu informieren, laden Vorstand und Geschäftsleitung vom SDRL zu einem Informations- und Austauschgespräch ein:

Samstag, 15. November

14 bis 16 Uhr

katholische Kirche Wildegg

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