Zwischen Zug und Zwang – wie Vaping den Alltag vernebelt
Region Vaping ist das neue Rauchen. Doch was aussieht wie harmlose Fruchtstifte, enthält oft Nikotin und macht süchtig. Immer mehr Jugendliche greifen zur E-Zigarette – auch im Bezirk Lenzburg. Behörden und Fachstellen schlagen Alarm, denn die aromatisierten Einweg-Vapes verbreiten sich rasend schnell. Während Präventionskampagnen anlaufen, bleibt der Kampf gegen den süssen Dampf schwierig.
Es ist 9.45 Uhr, grosse Pause. Die Sonne brennt auf den Schulhausplatz. Drei Jugendliche stehen beisammen, einer holt einen grellbunten Stift aus der Hosentasche, zieht daran – ein süsslicher Fruchtduft liegt plötzlich in der Luft: Mango, gemischt mit einem Hauch von Wassermelone. In der nächsten Sekunde steckt er das Gerät wieder weg. Niemand hat etwas bemerkt.
Solche Szenen spielen sich tagtäglich auf Schulhöfen im Aargau ab. E-Zigaretten – sogenannte Vapes oder Puff Bars – sind bei Jugendlichen angekommen. Sie duften süss, wirken harmlos und lassen sich leicht verstecken. Doch hinter dem farbenfrohen Design steckt Nikotin – und oft eine wachsende Abhängigkeit.
Eine unterschätzte Gefahr
«Vaping birgt gesundheitliche Risiken», sagt Fiona Laukart vom Generalsekretariat des Departements Gesundheit und Soziales. Die grosse Vielfalt an fruchtigen oder süssen Aromen sei für Jugendliche besonders attraktiv. «Die Weltgesundheitsorganisation warnt, dass diese Aromen Kinder und Jugendliche gezielt ansprechen und ihre Neugier fördern.»
Hinzu komme, dass die Langzeitfolgen des Konsums noch weitgehend unerforscht seien – und die unsachgemässe Entsorgung der Einweggeräte zunehmend zur Umweltbelastung werde.
Polizei schreitet punktuell ein
«Führen wir Kontrollen bei Jugendlichen durch, können wir teilweise solche E-Zigaretten feststellen», sagt Dominic Zimmerli, Mediensprecher der Kantonspolizei Aargau. Der Besitz sei zwar nicht strafbar – die Abgabe an Minderjährige jedoch schon. «In gewissen Fällen – etwa bei sehr jungen Jugendlichen – ziehen wir die Geräte ein. Die Eltern müssen sie bei der Polizei abholen.»
Auch wenn keine Statistik zu Vaping-Vorfällen geführt wird, ist das Thema bei Schulumgebungen präsent. Oft reagiere die Polizei im Rahmen von Patrouillen oder nach Hinweisen aus der Bevölkerung.
Gezielte Verharmlosung
«Der häufige Konsum hat vor allem bei den Mädchen deutlich zugenommen», sagt Markus Meury, Mediensprecher von Sucht Schweiz. Besonders im Fokus stehen derzeit die farbigen Einweg-Vapes, auch Puff Bars genannt. Sie sind günstig, aromatisiert, leicht zu verstecken – und landen nach wenigen hundert Zügen im Abfall. «Diese Produkte sind gezielt auf Jugendliche ausgerichtet – sie sehen harmlos aus, schmecken süss und sind leicht verfügbar», warnt Markus Meury von Sucht Schweiz. Mehrere Kantone fordern deshalb strengere Regeln – einige greifen bereits durch: Das Wallis hat ein Verkaufsverbot für Einweg-E-Zigaretten beschlossen, das im Sommer 2025 in Kraft tritt. Weitere Kantone, darunter Waadt, Genf und Basel-Stadt, prüfen ähnliche Schritte. Ziel ist, die hochproblematische Kombination aus Suchtpotenzial und Umweltbelastung einzudämmen.
Auf nationaler Ebene läuft derzeit die politische Debatte über ein mögliches generelles Verbot von Puff Bars, das auch im eidgenössischen Parlament auf Zustimmung stösst – der Nationalrat hat sich bereits dafür ausgesprochen, der Entscheid im Ständerat steht noch aus.
Prävention ist wichtig
«Ein wichtiger Schritt war das neue Tabakproduktegesetz, das die Abgabe an unter 18-Jährige verbietet», so Fiona Laukart. Doch die Herausforderung bleibe gross – vor allem wegen des leichten Online-Zugangs. Deshalb setzt der Kanton Aargau auf Prävention: 2023 lief die Kampagne «VapeCheck» auf Social Media, begleitet von Influencerinnen und Influencern. Eine neue Kampagne ist in Planung.
Neben nationalen Programmen engagieren sich im Aargau auch Institutionen wie die Lungenliga Aargau mit Projekten wie «cool & clean» (für Sportvereine), «zackstark» (für Lehrbetriebe) oder «rauchen? nein danke!» (für Brückenangebote). Ziel ist, Jugendliche für die Risiken zu sensibilisieren, bevor der Konsum zur Gewohnheit wird.
Testkäufe und Hilfeangebote
Um Verkaufsstellen zu sensibilisieren und die Einhaltung des Verkaufsverbots zu verbessern, führt der Kanton regelmässig Testkäufe durch. Mit der Umsetzung des neuen Tabakproduktegesetzes im kantonalen Recht können diese künftig auch strafrechtlich verwertet werden.
Für Jugendliche, die bereits konsumieren, stehen Rauchstopp-Angebote bereit – sowohl online als auch vor Ort. Beratungen bieten unter anderem die Suchtberatung ags, das BZBPlus oder die Lungenliga Aargau an. Zudem gibt es auf stopsmoking.ch eine nationale Anlaufstelle.
Was harmlos duftet, kann abhängig machen. E-Zigaretten haben den Alltag vieler Jugendlicher im Aargau erreicht – unauffällig, aber wirkungsvoll. Zwischen süssen Aromen, Gruppendruck und fehlender Aufklärung ist Vaping längst kein Randphänomen mehr. Die Behörden haben reagiert – doch der Umgang mit dem neuen Rauch bleibt eine Herausforderung.
Vapes wie diese sind bei Jugendlichen beliebt – trotz Suchtpotenzial.Foto: zvg