Wo Fux und Haas sich gute Nacht sagen

Büroangestellte, Lehrer, Ingenieure und Studenten verkleiden sich in ihrer Freizeit als Ritter, Elfen oder Söldner, erleben Abenteuer, lösen Rätsel oder führen Kriege und tauchen für ein Wochenende ein in eine Welt der Fantasie, die für alle Unbeteiligten unsichtbar bleibt. Das ist Larp.

Sascha Staubli aus Niederlenz in seiner Rolle als trawonischer Söldnerhauptmann ohne Fehl und Furcht, Savron diSkalbur, und Katrin Kirwald aus Baden als die hinterlistige Diebin mit magischen Fähigkeiten, Lady Helena Nethedain Arthinderu Downlands
Sascha Staubli aus Niederlenz in seiner Rolle als trawonischer Söldnerhauptmann ohne Fehl und Furcht, Savron diSkalbur, und Katrin Kirwald aus Baden als die hinterlistige Diebin mit magischen Fähigkeiten, Lady Helena Nethedain Arthinderu Downlands von Marnia. Foto: zvg

Live Action Role Playing – kurz Larp – wird immer beliebter. Und auch Lenzburg wird regelmässig zum Austragungsort utopischer Weltentwürfe. Nur weiss noch kaum jemand etwas davon.

Sechs lange Jahre tobte der Krieg in der Westmark, im Westen des Königreichs Cendara. Nun, nach Jahren der Furcht und Fehde, ist Herzog Sigurd II «der Zähmer» aus den Nordlanden zurückgekehrt und reitet auf stolzem Ross durch die Dörfer an die West-Küste des Reiches, um die Niederlage der nordischen Koalition kundzutun. Auf dass nun endlich Ruhe einkehre in den Stuben, Höfen und Städten. Und auch in der Taverne versammeln sich die Westmärker, um anzustossen auf diesen gar heldenhaften Feldzug.

Was klingt wie der Klappentext eines Fantasyromans, spielt im Hier und Jetzt. In der Realität. Oder doch nicht? Man weiss es nicht so genau, denn wenn die Larp-Community sich trifft, verschmelzen Realität und Fiktion zu einer untrennbaren Einheit.

Larp ist ein junges partizipatorisches Spielkonzept, eine Form des Ausdruckstheaters mit improvisatorischen Elementen, das sich an Handlungen aus Romanen wie Herr der Ringe oder Harry Potter, aber auch an historischen Epochen orientiert. Es liefert Ideen für den Plot, die Rahmenhandlung des Spiels, innerhalb dessen die Spieler agieren und ihnen das Eintauchen in fantastische Welten ermöglicht wird.

Den Charakter selbst erschaffen

Selten wird so deutlich, dass Menschen auch im Alltag Rollen spielen. Doch während im richtigen Leben gewisse Verhaltensweisen erwartet werden, Rollen meist zugeteilt sind und es moralische Grenzen zu beachten gibt, können die Charaktere im Spiel selbst kreiert werden.

Diese können sich über eine eigene Sprache, die Herkunft, den Beruf, eine spezielle Kleidung und sogar über eigene Werte, Moralvorstellungen und Gesinnungen definieren. Alle Elemente eines Charakters werden von den Spielern selbst gestaltet und in regelmässigen Treffen, sogenannten Cons, teils über Jahre gepflegt und weiterentwickelt.

Der eigenen Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, wie die Vielfalt der Wesen beweist. Da treffen sich blutrünstige Vampire, friedliebende Elfen, weisse Hexen oder flüchtige Waldläufer, aber auch bedürftige Bettler, hinterlistige Diebe und herrschsüchtige Könige zu teils mehrtägigen Cons an ganz verschiedenen Orten in Deutschland, der Schweiz oder Österreich, um gemeinsam Abenteuer und Geschichten zu erleben, deren Ende offen bleibt.

Die Spieler wissen um das Eigenleben zwischen Abenteuer, Plotplanung und Spielerlebnis. Kein Szenario übersteht die Begegnung ungerührt, entwickelt eine Eigendynamik, die den Reiz des Spiels ausmacht. Und dennoch liegen Engagement und Eskapismus fast erschreckend nahe beieinander und die Grenzen zum Pathologischen scheinen fliessend.

«Live-Rollenspiel ist weder politisch, religiös noch kommerziell motiviert, sondern Zweck an sich. Es geht alleine um den Spass. Wer sich für menschliche Begeisterungsfähigkeit, Vorstellungskraft und teilweise adrette Gewandungen interessiert, findet hier ein reichhaltiges Hobby», erklären der Kundenberater aus Niederlenz, Sascha Staubli, wie auch die Biologiestudentin Katrin Kirwald, die sich in den Rollen des trawonischen Söldnerhauptmanns Savron di Skalbur und als Magierin Helena Downlands bereits einen Namen in der Szene gemacht haben.

Fux und Haas in Lenzburg

Bereits seit Ende Oktober öffnet die Larp-Taverne «Fux und Haas» allen Spielern und Neugierigen Tür und Tor, um sich einmal fernab von Abenteuern, Rätseln und Kämpfen zu einem Schluck Wein oder Bier in ihren Charakteren zu treffen und gemeinsam ein soziales Spiel zu erleben.

Wer nun neugierig geworden ist, der sei herzlich eingeladen am Samstag, 17., und Sonntag, 18. Dezember, Gast zu werden in der etwas versteckten Römersteinhütte im nordöstlich von Lenzburg gelegenen Lindwald.

Insgesamt sind 30 Plätze frei und es wird ein Abendessen und Getränke geben. Anmelden können sich alle Interessierten unter www.fuxundhaas.ch. Eine Wegbeschreibung und weitere detaillierte Informationen zur neuen Taverne gibt es unter: www.larp-kalender.ch

Larp liefert einen kollektiven Zugang zu utopischen Weltentwürfen jenseits gesellschaftlicher Hypermoral. Hier darf jeder ein Held sein und sich zumindest für eine gewisse Zeit vom sozialen Dauerstress erholen. Und wer genau schaut, dem öffnet sich dabei sogar ein kleines Türchen zum gigantischen Hinterzimmer der Realität. In diesem Sinne: Wer spielt, der lebt, wenn auch in einer anderen Welt.

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