«Wir hier im Schweizer Tourismus sind verdammt zu hoher Qualität»

Lenzburg/Meisterschwanden Am «Forum Wirtschaft trifft Politik» vom nächsten Dienstag hält Felix Suhner eines der beiden Impulsreferate zum Thema «Regionalität». Für den Meisterschwander Hotelier müssen regionale Aspekte in guter Balance mit globalen Tendenzen stehen.

Macht sich Gedanken zu Regionalität und Globalisierung: Der Hotel-Unternehmer der Balance-Familie, Felix Suhner, in der Lobby des «Seerose Resort & Spa» in Meisterschwanden.Foto: Fritz Thut
Macht sich Gedanken zu Regionalität und Globalisierung: Der Hotel-Unternehmer der Balance-Familie, Felix Suhner, in der Lobby des «Seerose Resort & Spa» in Meisterschwanden.Foto: Fritz Thut

Warum haben Sie sich als Impulsreferent zur Verfügung gestellt?

Felix Suhner: Die letzten Jahre waren für unsere Betriebe und damit für mich mit einer Verantwortung für rund 600 Mitarbeitende mit umgerechnet 350 Vollzeitstellen sehr herausfordernd. Die ganze Hotel- und Gastronomie-Branche steckte in einem Riesental. Vor einem Jahr hätte ich auf die entsprechende Anfrage noch Nein gesagt. Ich musste die internen Herausforderungen zuerst erledigen.

Was hat sich geändert?

Der Aufwand für dieses Referat ist in einem vertretbaren Rahmen. Der Stellenwert der Branche hat sich zudem gewandelt; die Bedeutung wurde besser erkannt. Wir erbringen eine Dienstleistung an Menschen. Diese wollen geniessen und nach Corona mit den diesbezüglichen Mangelerscheinungen registrieren wir nun einen Nachholbedarf.

Was interessiert Sie am Themenkreis Global–Regional?

In unserer Branche sind wir regional ausgerichtet, stehen jedoch in Konkurrenz mit globalen Angeboten. Die Schweiz ist eher teuer. Zwei Wochen Ferien in der Türkei sind billiger als eine Woche hier. Im Vergleich zur Landwirtschaft, wo die Schweiz die Grenzen dicht macht, wenn Aprikosen oder Erdbeeren hier reif sind, ist der Tourismus nicht geschützt. Zudem haben wir ganz andere Lohnkosten als beispielsweise Italien. Wir hier im Schweizer Tourismus sind verdammt zu hoher Qualität.

Achten Sie bei der Beschaffung auf Regionalität?

Wenn immer möglich berücksichtigen wir Schweizer Lieferanten und dabei vor allem Familienbetriebe. Oft kommt man allerdings nicht um die beiden Grossverteiler und ihre Tochterfirmen herum.

Das thailändische Restaurant in der «Seerose» suggeriert ja eine gewisse Weltoffenheit. Da braucht es ja auch Lebensmittel aus Thailand?

Das stimmt. Wir beziehen wöchentlich Lebensmittel direkt aus Thailand, die es hier in dieser Qualität nicht gibt.

Woher kommt Ihre Affinität zu Thailand?

Ich war mehrmals in Thailand und war von der Herzlichkeit der Leute dort angetan. Ich arbeitete schon früher in der Schweiz in einem Thai-Restaurant und so habe ich – als Hobby, wie ich damals sagte – hier das «Samui-Thai» gestartet. Es macht Spass und war von Anfang an wirtschaftlich erfolgreich.

Spielt die Globalisierung auf der Gästeseite eine Rolle?

85 bis 90 Prozent unserer Gäste hier kommen aus der Schweiz. Wir sind hier im Seetal keine klassische Tourismusregion. Doch die Internetvisibilität ermöglicht uns als Destination-Resort Direktbuchungen aus dem Ausland. Und da helfen die internationalen Auszeichnungen für unser Spa-Angebot schon.

Ganz allgemein: Kann ein KMU-Inhaber einfach sagen, die Globalisierung interessiert mich nicht?

Meiner Meinung nach geht dies heute nicht mehr; alles ist verwoben miteinander. Mit der ganzen Digitalisierung und den Daten-Clouds ist man zwangsweise mit der ganzen Welt verbunden. Für unsere Branche gibt es am Frontdesk in den Hotels gar keine einheimische Software mehr. Diese Vernetzung wird bleiben.

Fliesst diese Erkenntnis in die Marketing-Bemühungen ein?

Es gibt zwar noch einzelne regionale Inserate in der Gastronomie. Sonst aber hat sich hier der Markt stark gewandelt. Dienste wie Google und andere Social-Media-Dienste werden immer wichtiger. Hier erzielt man einen Quanteneffekt.

Ist denn die Regionalität heute nicht höher im Kurs als vor der Pandemie?

Ein bisschen; es ist etwas zurückgeblieben vom Bewusstsein der Coronazeit. Heute ist man beispielsweise ohne Nachhaltigkeit früher oder später weg vom Fenster. Es ist zudem wichtig, dass man diesbezügliche Bemühungen gegen aussen auch zeigt.

Sie haben in der Balance-Gruppe Betriebe an sechs Standorten. Was zeichnet dabei das Seetal aus?

Das Seetal bietet eine schöne Natur und natürlich den See mit der öffentlichen Schifffahrt zwischen zwei Kantonen.

Ist die Bekanntheit gross genug?

Mit dem stark gewachsenen Tagestourismus ist der Druck auf den See angestiegen. Dies sehe ich nicht immer gerne.

Was spricht speziell dafür, hier Ferien oder ein Seminar zu machen?

Die Schönheit der Natur und meistens noch vorhandene Ruhe. Ich empfehle allerdings, mindestens zwei Nächte hier zu verbringen, um wirklich herunterfahren zu können und wegzukommen vom stressigen Rush der heutigen Zeit.

Was wird die Hauptaussage Ihres Referats sein?

Die Regionalität ist wichtig und wir wollen sie pflegen und fördern. Doch sie muss mit der globalen Ausrichtung in einer guten Balance stehen.

«Forum Wirtschaft trifft Politik» zu Regionalität

Lebensraum Lenzburg-Seetal Die Veranstaltung «Forum Wirtschaft trifft Politik» des Gemeindeverbandes Lebensraum Lenzburg-Seetal (LLS) geht – nach einem coronabedingten Unterbruch – in die sechste Runde. Am nächsten Dienstag, 12. September, bringt sie erneut Wirtschaft und Politik zusammen, um regionale Fragestellungen zu beleuchten. Der Anlass ist öffentlich; alle Interessierten sind willkommen.

Das Thema 2023 lautet «Wie viel Regionalität ist möglich und sinnvoll in einer globalen Welt?». Dabei sollen Aspekte rund um die Frage «Hat regional ausgedient oder ist es der Zukunftstrend?» angeschnitten werden.

Der Anlass startet mit zwei Referaten von Hotel- und Gastro-Unternehmern der Region Seetal: Felix Suhner von der Balance-Familie rund um das Seerose Resort und Spa in Meisterschwanden und Eli Wengenmaier von der Eichberg Seengen AG.

In der anschliessenden Podiumsdiskussion gehen die Referenten zusammen mit Katja Früh, Gemeindeammann Staufen, und Lidia Räber, Regionalplanerin Marti Partner Architekten und Planer AG, mit Moderatorin Anne-Käthi Kremer tiefer auf das Thema ein. (lba)

Forum Wirtschaft trifft Politik. Dienstag, 12. September, 18.15 Uhr. – Ort: Alter Gemeindesaal Lenzburg. – Programm. 18.15 Uhr: Begrüssung durch LLS-Präsident Daniel Mosimann; 18.20 Uhr: Inputreferate; 18.50 Uhr: Podiumsdiskussion und Fragerunde im Saal; 20 Uhr: Apéro und Austausch. – Anmeldung: www.lebensraum-ls.ch (Platzzahl beschränkt).

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