Was übrig ist, wird günstiger verkauft

Lenzburg Amir Zamani von der Sandwich-Bar Yam Yam macht beim Konzept «Too Good To Go» mit. Ziel ist, Esswaren, die nicht verkauft wurden, zu einem attraktiven Preis über eine App an Interessenten zu vermitteln.

<em>Für die Lenzburgerin Yvonne Dolny eine Premiere: </em>Sie hat mit Yam Yam erstmals die App «Too Good To Go» getestet. Fotos: Carolin Frei

<em>Für die Lenzburgerin Yvonne Dolny eine Premiere: </em>Sie hat mit Yam Yam erstmals die App «Too Good To Go» getestet. Fotos: Carolin Frei

<em>Findet «Too Good To Go» eine gute Sache:</em> Claudia Geissmann von der Bäckerei Gradwohl.

<em>Findet «Too Good To Go» eine gute Sache:</em> Claudia Geissmann von der Bäckerei Gradwohl.

Seit rund sieben Wochen macht Amir Zamani, Wirt und Inhaber der Lenzburger Sandwichbar, bei «Too Good To Go» mit. Seine Erfahrungen sind durchwegs positiv. «Früher haben wir das, was am Abend noch übrig war, selber gegessen, den Mitarbeitern mitgegeben oder auch mal verschenkt», sagt er. Doch immer dasselbe zu verspeisen, sei auf Dauer nicht wirklich spannend. Deshalb hat ihn das Konzept «Too Good To Go» angesprochen. «Unsere Firmenphilosophie ist seit der Eröffnung vor acht Jahren noch immer die gleiche. Wir geben jeden Tag alles, wollen jeden Tag aufs Neue so gut kochen wie nie zuvor», sagt er. Es soll «healthy» und «tasty» sein. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, werden die Speisen immer frisch zubereitet, mit Lebensmitteln, die täglich gekauft werden. «Es gibt nur weniges, was wir im Kühlschrank für ein paar Tage aufbewahren», sagt er. Umso attraktiver, nun einen Verkaufskanal gefunden zu haben, über den das am Abend übrig Gebliebene bequem an Interessenten vermittelt werden kann.

Plastikabfall vermeiden

Yam Yam hat auch die Nase vorne, wenn es darum geht, dem Abfallberg den Kampf anzusagen. Seit Jahren werden ihre Speisen, die im Take-away weggehen, in kompostierbare Boxen verpackt. Beim Konzept «Too Good To Go» solls auch dem Einweg-Plastikabfall an den Kragen gehen. Ziel ist, dass die Käufer selber ein passendes Gefäss zum Abholen der Speiseresten mitbringen. Dies hat Marc Urban aus Villmergen denn auch gemacht. Er reichte zum vereinbarten Abholtermin Amir Zamani eine Tupperware-Box über die Theke. «Ich fülle dir die warmen Speisen gerne da rein. Für den Salat gebe ich dir eine kompostierbare Box mit», betont Zamani. Marc Urban hat schon mehrmals bei verschiedenen Restaurants und Bäckereien über «Too Good To Go» bestellt, hat deshalb entsprechende Erfahrungen. «Ich finds eine tolle Idee, bin absolut dafür, aktiv was gegen die Lebensmittelverschwendung zu tun», sagt Urban. Eine Premiere wars gleichentags hingegen für Yvonne Dolny aus Lenzburg. Sie lässt sich gerne überraschen, was sie für Fr. 6.90 in die Box verpackt bekommt, was normalerweise 21 Franken kosten würde.

«Heute haben wir Reis, Lamm-/ Rindfleisch mit Koriander und Kichererbsen sowie Pilze und Aprikosen an einer Currysauce übrig.» Die Neukundin bekommt ebenfalls zusätzlich einen Teller mit einem Brokkoli-Nuss- sowie einem Randen-Orangen-Salat. «Ich bin gespannt, wie es mir schmeckt», sagt Dolny. Wenn ja, könnte sie sich gut vorstellen, immer wieder mal von dieser App Gebrauch zu machen.

Ein Jahr «Too Good To Go» in der Schweiz

Food Waste In ihrer Medienmitteilung zieht «Too Good to Go» nach einem Jahr in der Schweiz Bilanz: 386000 gerettete Mahlzeiten, 1400 Partner und 965000 Kilo eingespartes CO2.

Vor einem Jahr hat Lucie Rein den Schweizer Ableger der Bewegung gegen Food Waste gegründet. Nun zieht sie Bilanz: «Das erste Jahr war ein überwältigender Erfolg und wir haben bereits einen Schritt in eine nachhaltigere Zukunft für die Schweiz gemacht. Doch das ist für uns erst der Anfang. Unser Ziel ist es, bis Ende Jahr in der Schweiz eine Million Mahlzeiten zu retten und so 2,5 Millionen Tonnen CO2 einzusparen.»

Eine gute Sache, die ihren Preis hat. Wer auf der App mit seinem Angebot vertreten sein möchte, kann sich auf www.toogoodtogo.ch entsprechend informieren. Pro gerettete Mahlzeit gehen Fr. 2.90 an «Too Good To Go», also rund die Hälfte des Box-Preises. Zudem fällt eine administrative Jahresgebühr an.

Fast die Hälfte geht an «Too Good To Go». Ist das gerechtfertigt? «Durch die Einnahmen können wir unabhängig von Spendern und Sponsoren wachsen und so noch mehr Menschen auf das Thema aufmerksam machen. Mit der App bieten wir eine Möglichkeit, einen Beitrag für eine Welt ohne Lebensmittelverschwendung zu leisten. Aber ‹Too Good To Go› ist viel mehr: Wir sind eine Bewegung, die sich für die Rettung von Lebensmitteln einsetzt. Sensibilisierung ist der Schlüssel», sagt Sara Osmani, Mediensprecherin von «Too Good To Go Schweiz». (cfr)

Was drin ist, bleibt eine Überraschung

Staufen Auch die Bäckerei Gradwohl macht beim Konzept «Too Good To Go» mit. Bei der Geschäftsführerin Claudia Geissmann-Gradwohl steht der Gedanke, noch frische Esswaren einem breiten Publikum zu einem attraktiven Preis zugänglich zu machen, ebenfalls im Vordergrund. «Bisher haben wir Brote, die wir nicht verkauft haben, an die Stiftung Schweizer Tafeln abgegeben, dem Personal und Freunden mitgegeben und selber gegessen. Ein Teil geht auch als Tierfutter weg oder aber es wird Paniermehl daraus», sagt Geissmann. Nun ist man glücklich, mit dem Konzept «Too Good To Go» einen weiteren Absatzkanal zu den bestehenden gefunden zu haben. «Bei uns kann man die Überraschungsbox tags darauf zwischen 6 und 12 Uhr abholen», sagt sie.

Haben Neukunden gewonnen

Eine Auswahl wird zusammengestellt und vor dem Verpacken dem Käufer gezeigt. Wenn etwas dabei ist, was er gerne tauschen möchte, ist das möglich. «Voraussetzung ist natürlich, man holt sich nicht die letzte Überraschungsbox», betont Geissmann. Vor allem Brote, Canapés, Speckbrötli, Salate, Nussgipfel, Schoggibrötli oder Birchermüesli kommen in die Box. Das Konzept sei gut angelaufen, komme bei den Kunden an. Inzwischen sind sogar Neukunden auf diesem Weg dazugestossen.

Wer sich für das Speise-Angebot über «Too Good To Go» interessiert, muss erst die App herunterladen. Danach wählt er aus einer Fülle von Restaurants, Lebensmittelläden und Bäckereien seine Favoriten und bestellt per Knopfdruck. Der Kaufbetrag, der etwa einen Drittel des Originalpreises beträgt, ist sofort geschuldet. Nach dem Zahlungseingang erhält der Käufer eine Bestätigung auf sein Handy, die am Abholtag vorgelegt werden muss. Die Bäckerei Gradwohl wird auch künftig vom Angebot Gebrauch machen. «Wir finden es eine gute Sache, haben wenig Aufwand damit. Um die Abwicklung und den Zahlungseingang brauchen wir uns nicht zu kümmern», sagt Geissmann. Das komme ihnen sehr entgegen. Das Ganze ist allerdings nicht kostenlos. Gut die Hälfte des Box-Preises geht an «Too Good To Go». (cfr)

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