Über wilden Lehm Landschaft, Geschichte und Kultur auf der Spur
Lenzburg Was Lehm über Landschaft und Menschen mitteilen kann – Künstlerin Lorna Phillips schafft spannende Einsichten.
In der Villa Sonnenberg bereitet die schottische Künstlerin Lorna Phillips ihre Ausstellung vor. Die Vernissage wird am 22. November stattfinden. Wegen einer Werbung der Künstler-Residenz sei sie auf die Idee gekommen, sich für einen Aufenthalt zu bewerben, so die junge Künstlerin. Ihre interessanten Ansätze, mit wildem Lehm etwas über die Landschaften, aus denen dieser stammt, zu erfahren, überzeugten das Team der Villa Sonnenberg. Phillips fühlt sich wohl in der Villa: «Es ist das erste Mal, dass ich in der Schweiz bin. Die Alpen sind ziemlich beeindruckend. Die Gegend hier mit den Hügeln gefällt mir sehr gut.» Schon bald haben Interessierte die Gelegenheit, eine spannende Ausstellung mit wahrhaft regionalem Bezug anzuschauen.
Im gemütlichen Werkstattraum in einem kleinen Nebengebäude der Villa Sonneberg steht Lorna Phillips vor einer schmalen Ablagefläche. Vor ihr befinden sich in kleinen Bröckchen ausgebreitet mehrere Sorten von unterschiedlich dunklem Lehm. «Diesen hier habe ich in Holderbank entdeckt, es ist der dunkelste von allen, mit denen ich bisher gearbeitet habe», berichtet sie auf Englisch und zeigt auf die beinahe schwarze Masse. Das Material am Fünfweiher sowie am Hallwilersee sei heller. «Der Ton hier ist teilweise sandig», erzählt sie. «Damit lässt sich gut arbeiten.»
Spannende Inspirationen aus der Vorgeschichte
Auf der Fläche hat sie zudem einige ihrer Exponate aufgereiht, welche bald in der Ausstellung zu sehen sein werden. Sogleich fallen dem Betrachtenden einige auf, die in ihrer Form sehr an Kuhhörner erinnern. Für diese speziellen Stücke hat die Künstlerin eine Erläuterung. Dafür holt Phillips eine kleine Karte, auf der die Schweiz abgebildet ist. Zu sehen sind darauf Fundstellen von sogenannten «Mondhörnern». «Der Sinn und Zweck dieser faszinierenden Artefakte aus der späten Bronzezeit ist bis jetzt unbekannt. Vermutlich hatten sie für die Menschen damals einen spirituellen Hintergrund», berichtet sie und ihre Begeisterung für die Historie ist ihr deutlich anzumerken. «Ich habe im Museum Burghalde und im Landesmuseum Zürich sehr bemerkenswerte und gut gemachte Ausstellungen zu diesen Themen besucht.» Mit dem wilden Lehm, den sie hier in der Region sammelte, habe sie sich von den Mondhörnern für ihre eigenen Werke inspirieren lassen. Zudem habe sie viel dazu recherchiert und gelesen. «Die PDFs habe ich dann mit Hilfe von Apps ins Englische übersetzt», teilt sie lachend mit. Ausserdem habe das gesamte Team der Villa Sonnenberg, insbesondere die Stiftungsleiterin Christine von Arx, ihre Arbeit enorm hilfreich unterstützt.
Ein weiteres Exponat erinnert von der Form her an eine Art Teller, darin ist eine schmale Form eingearbeitet. Dazu die junge Künstlerin lächelnd: «Das ist die Silhouette des Hallwilersees.» Auch hier spielen prähistorische Themen für sie eine Rolle. «Die Wände der Häuser wurden damals mit Lehm versiegelt», führt sie aus. Daraus entwickelte sie den Titel ihrer Ausstellung: «If the walls could talk» (Wenn die Wände sprechen könnten). Es sei spannend, wie die Menschen damals mit dem See und an dem See lebten. «Die Bedeutung der Seen in der Schweiz ist auch heute noch spürbar», macht die Schottin ihre Erfahrungen hier im Land deutlich.
Die Vorbereitungen für die Ausstellung laufen
Deswegen habe sie sich sehr über den Erfolg eines Workshops gefreut, den sie kürzlich in der Villa Sonnenberg gegeben habe. Mit den Teilnehmenden habe sie wilden Lehm in der Umgebung gesucht. Daraus hätten sie kleine Schalen oder Figuren geformt und gebrannt. «Diese besonderen Arbeiten werden ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sein», informiert Lorna Phillips. Sie selbst sei in ihrer Schulzeit durch die Töpferei in den Kontakt mit Lehm gekommen. In der Zeit ihres Studiums im Bereich Sculpture an der University of Edinburgh habe sie auch mit anderen Materialien gearbeitet, doch sie sei immer wieder zum Lehm zurückgekehrt.
Während ihres Studiums hatte sie durch das Erasmus-Programm ein Jahr in Estland studieren können: «Dort kam ich für meine Abschlussarbeit mit der archäologischen Bedeutung des Gebiets in Berührung, in dem ich mein Arbeitsmaterial gewann.» Diese interessante Verknüpfung von prähistorischen Elementen mit ihrer Kunst wirke bis heute fort. Nun sei sie schon etwas nervös wegen der Ausstellung, räumt die junge Künstlerin ein. «Die Exponate werden nächste Woche in Basel gebrannt, das und der Transport werden aufregend», führt sie aus. «Ausserdem ist es erst meine zweite Soloausstellung, sonst war ich immer Teil einer Gruppe. Das ist natürlich spannend.» Zu sehen sein werden neben ihren Kunstwerken ausserdem Zeichnungen, Texte, eventuell ein kurzer Film und einiges mehr. «In der Woche nach der Ausstellung reise ich zurück nach Schottland», erzählt sie. Dort freue sie sich auf weitere Projekte und Workshops. Doch bedauernd sagt Lorna Phillips: «Es ist dennoch etwas traurig, einen so schönen Ort wie die Schweiz zu verlassen.»
Vernissage: 22. November um 18 Uhr mit musikalischer Begleitung und Apéro.