Tipp zum Alltag: Toxische Positivität

Authentisch sein. Illustration: mky

Authentisch sein. Illustration: mky

Jörg Kyburz

Jörg Kyburz

Die immer Positiven sind überall anzutreffen, doch der ewige Sieger wirkt nach aussen nicht selten abstossend. Kann man jedes Unglück so drehen, dass es guttut? Die Falle, allem eine positive Seite zu verschreiben, hat einen Namen – toxische Positivität.

Arm gebrochen, nicht so schlimm, es hätte auch der Rücken sein können. Streit mit dem Chef – wenigstens scheint die Sonne. Vorsicht, was gut gemeint ist, kann Schaden anrichten, denn zu viel Optimismus macht unglücklich und das Leben unauthentisch. Spricht hier der ewige Griesgram? Weit gefehlt.

Gemäss neusten Studien verstärken sich unterdrückte Emotionen. Unangenehme Gefühle sofort mit Zweckoptimismus zu überlagern, führt nicht selten zu verstärkten physiologischen Reaktionen. Es ist wichtig, dass wir mit uns ehrlich sind, Probleme thematisieren und Schwierigkeiten mit Vertrauenspersonen besprechen. Wer immer in der Positivwelt lebt, läuft Gefahr, in Beziehungen unnahbar zu werden. Toxischer Optimismus zeigt sich dann, wenn die Probleme anderer immer schöngeredet werden. Zu widersprechen, ist oft schwieriger, als alles schönzureden. Der Versuch des ewigen Kuschelkurses unterdrückt klare Meinungen und echte Gefühle. Ehrlichkeit ist oft das Einzige, was uns weiterbringt. Sich selbst zu akzeptieren, geht Hand in Hand mit der Authentizität gegenüber anderen. Will ich lieber mir selbst treu sein oder ist es mir wichtiger, von möglichst vielen gemocht zu werden?

Hier greift die Achtsamkeit: Gelingt es, die eigenen Gefühle und Gedanken vor der Reaktion zu erkennen? Es gilt, die Pause zwischen Reiz und Reaktion wahrzunehmen und nicht Gefühle zu überlagern oder kleinzureden. Natürlich funktioniert dies nicht sofort, das Durchbrechen alter Muster erfordert Übung.

Tipp: Problemuntersuchung wie folgt gestalten: 1. Unangenehmes Gefühl wahrnehmen und ihm auf den Grund gehen. 2. Problem identifizieren. 3. Problem mit den Mitteln lösen, welche in unserer Macht stehen. 4. Akzeptieren, was nicht lösbar ist.

«Tipp zum Alltag». Hier schreiben Jörg Kyburz und Volker Schulte jeweils in der letzten Ausgabe des Monats über psychologische Aspekte im Alltag. Die beiden Autoren leiten den CAS-Studienlehrgang Achtsamkeit in Lenzburg.

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