Tipp zum Alltag: Alles wirkliche Leben ist Begegnung
Darf ich Ihnen eine kleine Geschichte aus meinem Alltag erzählen? Eine harmlose Geschichte, mag sein – von aussen betrachtet. Sie ereignet sich in einem Supermarkt und geht so: Nach erfolgtem Einkauf kehre ich mit meinem grossen Einkaufswagen zum Parkplatz zurück. Der Weg dorthin führt über eine lange, etwas abschüssige Rampe. Vor mir ein mittelalterliches Paar, heiter im Gespräch vertieft. Sonst niemand weit und breit zu sehen. Der Mann lacht, gibt seinem Einkaufswagen etwas Schwung und hängt sich dann, wie Kinder es oft tun, so in die Handführung des Wagens, dass seine Füsse nur noch wenig Kontakt mit dem Boden haben. Er nimmt Fahrt auf, doch dann besinnt er sich eines Besseren und stoppt sein Gefährt nach wenigen Metern. Die Frau lacht.
Auch ich muss lachen. Und fühle mich ermutigt, es dem Mann nachzutun. Ich gebe also Schwung, mehr als der Mann, und flitze mit meinem Einkaufswagen an den beiden vorbei. Wir alle drei lachen laut wie die Kinder. (Wohlgemerkt: Unsere summierten Altersjahre dürften die Zahl 150 weit überschreiten …) Der Mann ruft mir lachend nach: «Hey, ganz schön mutig!» «Nein, eher wagemutig!», rufe ich zurück – und habe alle Mühe, meinen Boliden kurz vor der Automatiktüre (aus Glas!) zu bremsen. Kurze Zeit später, beim Versorgen der Einkaufswagen, treffen wir drei uns wieder. Wir strahlen uns an wie drei verschworene Lausebengel nach frischer Tat …
Warum ich Ihnen eine solch unspektakuläre Geschichte erzähle? Weil mich das Leben auch nach 66 Jahren immer noch anrührt und fasziniert. Weil ich manchmal die Welt (wieder) mit den Augen eines Kindes sehen kann. Weil ich es wichtig finde, mehr zu lächeln und zu lachen.
Weil ich endlich Martin Buber verstehe, wenn er sagt, dass wirkliches Leben Begegnung ist. Und weil ich gelernt habe, für solche Begegnungen dankbar zu sein. Wo ich das gelernt habe? In der Akademie für Achtsamkeit in Lenzburg.
«Tipp zum Alltag». Hier schreiben Dozenten des CAS-Studienlehrgangs Achtsamkeit in Lenzburg jeweils in der letzten Ausgabe des Monats über psychologische Aspekte im Alltag. Die Autoren Horst Hablitz, Thomas Jenelten, Jörg Kyburz und Volker Schulte wechseln sich ab.