Solaranlagen und Wärmepumpen boomen in der Region
Erneuerbare Energie In der Schweiz werden so viele Photovoltaik-Anlagen und Wärmepumpen montiert wie noch nie. Auch in der Region Lenzburg hält der Boom an. Doch die grosse Nachfrage bringt auch Probleme wie Lieferengpässe und Fachkräftemangel ans Licht.
Aktuelle Zahlen aus der Region zeigen: Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Anzahl Solaranlagen und Wärmepumpen in vielen Gemeinden im Bezirk Lenzburg verdoppelt; in Lenzburg haben sich die Zahlen im Bereich Wärmepumpen im Vergleich zum Vorjahr sogar vervierfacht: Bereits 45 Wärmepumpen wurden im Jahr 2022 bewilligt. Dieser Trend führt dazu, dass viele Betriebe, die auf erneuerbare Energie spezialisiert sind, lange Wartelisten von mehr als einem Jahr führen.
So auch die Oppliger Haustechnik AG in Othmarsingen. Bis zu 50 Anfragen erhält das Unternehmen pro Woche für eine Solaranlage, etwas weniger für eine Wärmepumpe. «Das ist das Vierfache von dem, was wir normalerweise bearbeiten», erklärt Thomas Oppliger, der die Firma seit 2009 in dritter Generation führt. Die enorme Nachfrage hat einen Einfluss auf die Wartezeit: Dauerte es vor einem Jahr noch drei Monate, bis die Monteure nach Auftragseingang ausrückten, warten die Kunden mittlerweile rund ein Jahr auf eine neue Photovoltaik-Anlage: Die Zeit hat sich ebenfalls vervierfacht. «Wenn heute jemand anruft und eine Offerte möchte, muss ich aufs nächste Jahr vertrösten. Und das heisst nicht etwa Januar, sondern April oder Mai», so Oppliger.
Auch bei den Wärmepumpen sieht es nicht besser aus: «Will man eine Wärmepumpe für den Winter 2023 einbauen, ist es dafür jetzt fast schon zu spät», weiss Oppliger. Denn: Es gibt schlichtweg zu wenig Wärmepumpen auf dem Markt. «Die Wartefristen im Einkauf von Wärmepumpen betragen aktuell ein Jahr und mehr», so Oppliger.
Es fehlen Wechselrichter
Neben den Wärmepumpen sind weitere Teile Mangelware – obwohl Thomas Oppliger im letzten Herbst sein Lager gut gefüllt und damit «einen guten Riecher» bewiesen hat. «Wir haben aber Glück gehabt – ich kenne Firmen, die bereits nicht mehr arbeiten können wegen fehlender Bauteile», so Oppliger. Im Bereich der Photovoltaik fehlen insbesondere die Wechselrichter. Sie machen aus Sonnenenergie netzfähigen Wechselstrom. Ohne die unscheinbaren, kopfkissengrossen Geräte sind Solaranlagen im Grunde nutzlos. Wechselrichter werden zwar in Europa hergestellt, aber mit Bauteilen aus China. Und die sind derzeit schlicht nicht erhältlich – die Gründe dafür sind auf den ersten Blick schleierhaft – Fachleute vermuten, dass China die Teile für eigene, grosse Solarprojekte zurückhält.
Um im kommenden Winter autark und unabhängig zu sein, sei die Nachfrage bei bestehenden Kunden, die ihre Solaranlage aufrüsten möchten, gross, so Oppliger. Denn: Bisher wurden bei Photovoltaik-Anlagen normale Wechselrichter eingebaut. Bei einem Blackout können diese aber keinen Strom produzieren. Die Lösung: der Einbau spezieller Notstrom-Wechselrichter. «Früher haben wir einen Notstrom-Wechselrichter pro Jahr verbaut, heute wollen alle nur noch solche», weiss Oppliger. Aber: Auch diese sind momentan kaum erhältlich. Und: «Bei einem Meter Schnee im Winter nützen die auch nichts», so Oppliger.
Mehr Gewerbekunden
Waren bisher rund 80 Prozent der Kunden private Haushalte, schauen heute immer mehr Gewerbekunden aufgrund der steigenden Strom- und Gaspreise auf ihre eigene Wärme- und Energieversorgung. Laut Oppliger habe der Solar-Trend bei Gewerbekunden schon im Herbst vor einem Jahr mit den ersten Blackout-Szenarien begonnen. «Wir haben viele Projekte mit Unternehmen der Region in der Pipeline», verrät Oppliger.
Ein grosses Gewerbeprojekt hat Oppliger bereits Anfang Jahr fertiggestellt: Bei der Türenfabrik Brunex in Brunegg wurden rund 1200 Solarmodule montiert. «Wir sind froh, dass wir heute rund 40 Prozent unseres Strombedarfes selbst produzieren können. Erneuerbare Energie ist für uns im Zuge unserer Nachhaltigkeitsstrategie sehr wichtig», sagt Markus Strebel, Leiter Finanzen und Planung bei Brunex, auf Anfrage.
Lieferengpässe und eine starke Nachfrage: Kurzfristige Lösungen für diesen Winter kann Oppliger seinen Kunden keine mehr bieten. Normalerweise schafft sein Team 40 Anlagen im Jahr. Heuer wurden bereits 50 Solar- und 40 Wärmepumpenprojekte realisiert. Vor allem das Büro-Team sei am Anschlag: «Der administrative Aufwand ist enorm», sagt Oppliger, der kürzlich zusätzliche Büroräumlichkeiten mieten musste und das Team im Back Office aufstocken musste.
Verdreifachung bis 2030
Es fehlen nicht nur Bauteile, sondern auch Fachkräfte. David Stickelberger, Geschäftsleiter vom Branchenverband Swisssolar, weiss: «Die Verkäufe haben sich in den letzten zwei Jahren verdoppelt, wir rechnen nochmals mit einem Marktwachstum von mindestens 30 Prozent. Dies führt zu einem stark steigenden Fachkräftebedarf. Um diesen zu decken, führt die Branche verschiedene Schulungsangebote für Quereinsteiger durch.» Laut Swisssolar sollen bis 2030 jährlich dreimal so viele Solaranlagen installiert werden wie heute – Schätzungen zufolge fehlen dafür Tausende von Fachkräften.
Gelöst werden soll dieses Problem gemäss Stickelberger nicht nur mit Quereinsteigern, sondern auch mit einer neuen Berufslehre: «Um für Nachwuchs zu sorgen, werden wir ab Herbst 2024 eine Berufslehre anbieten. Das Interesse daran ist sehr gross, wir sind zuversichtlich, dass wir schon im ersten Lehrgang 100 Lernende erreichen werden.»
Auf die neue Berufslehre freut sich auch Thomas Oppliger. Er lehrt momentan gleich vier Handwerkern die Solartechnik von der Pike auf, ab 2024 will er Lernende in der neu geplanten Ausbildung ausbilden. «Die Branche braucht dringend Fachkräfte, und ich möchte meinen Teil dazu beitragen», so Oppliger.
Beruf mit sonniger Zukunft
Die Nachfrage nach Photovoltaik bleibt in der Schweiz ungebremst hoch. Aber: In der Solarbranche mangelt es an Fachkräften. Derzeit umfasst die Schweizer Solarwirtschaft zirka 7500 Vollzeitstellen. Bis 2050 muss deren Anzahl verdreifacht werden.
Deshalb baut der Branchenverband Swisssolar in Kooperation mit dem Verein Polybau derzeit einen neuen Berufslehrgang in einer zwei- und einer dreijährigen Variante auf. Ab 2024 sollen die Ausbildungen zum Solarinstallateur EFZ (drei Jahre) und Solarmonteur EBA (zwei Jahre) starten. Schulstandorte werden Uzwil (St. Gallen) und Les Paccots (Fribourg) sein. Ausserdem wird das Weiterbildungsangebot erneuert und erweitert. Das Ziel: den Zugang für Quereinsteiger erleichtern.