Schulbibliothek kostete 200 Franken

Möriken-Wildegg Die Gemeinde- und Schulbibliothek kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Vor 100 Jahren wurde sie ins Leben gerufen. Grund genug, dies mit Gästen gebührend zu zelebrieren.

<em>Waren zwischen 6 und 20 Jahren für die Bibliothek tätig: </em>Vreni Hächler, Ruth Gebhard, Käthi Hintermann und Ruth Fehlmann. Fotos: cfr

<em>Waren zwischen 6 und 20 Jahren für die Bibliothek tätig: </em>Vreni Hächler, Ruth Gebhard, Käthi Hintermann und Ruth Fehlmann. Fotos: cfr

<em>Man liess sich nicht zweimal bitten: </em>Der hohe Geburtstag wurde gebührend gefeiert.

<em>Man liess sich nicht zweimal bitten: </em>Der hohe Geburtstag wurde gebührend gefeiert.

Die Welt und damit die Schweiz befand sich 1919 kurz nach Beendigung des Ersten Weltkriegs», sagte Vizeammann Markus Eichenberger an der Jubiläumsfeier in den Räumen der Gemeinde- und Schulbibliothek. Diese Menschen waren von Sorgen und Nöten geplagt. In diesem Kontext möge es erstaunen, dass im bäuerlich geprägten Möriken-Wildegg die Gemeindeversammlung entschied, die kleine Schulbibliothek von Schulmeister Karl Hartmann für 200 Franken zu übernehmen und damit der Einwohnerschaft zugänglich zu machen. Wie stark die Bücher in den Anfängen ausgeliehen wurden, ist nicht dokumentiert. Sicher ist jedoch, dass der Bestand an Büchern stetig erweitert wurde. 1959 waren es 2000 Ausleihen, 40 Jahre später 20000. «Heute ist der Medienbestand auf 15000 Bücher und 10000 elektronische Medien angewachsen», betont Eichenberger. Bibliotheken seien besondere Orte. Auch heute noch. Die Digitalisierung stelle Bibliotheken vor grosse Herausforderungen. Das Bibliotheksteam wappne sich mit spannenden Projekten gegen diese Entwicklung.

Altes Wissen auch heute aktuell

Im Anschluss sprach Staatsarchivarin Andrea Voellmin zum Thema Bibliotheken und deren Wert im der Wandel Zeit. «Ich werde heute nicht zurückblicken bis zu den sagenumwobenen ältesten uns bekannten Bibliotheken der Antike, sondern den Blick bis ins Mittelalter lenken, auf die Bibliothek des Klosters Muri», sagte sie. Das Benediktinerkloster Muri wurde von den Habsburgern 1027 gestiftet. Es durchlebte verschiedene Phasen: Aufbau, Brandkatastrophe, Wiederaufbau, Blütezeit. Die Benediktinerabtei betrieb eine Schreibwerkstatt und pflegte jahrhundertelang ihre Bibliothek. Der grösste Teil der Bestände – das gesammelte damalige Wissen – wurde bei der Aufhebung konfisziert und wird heute in der Kantonsbibliothek und im Staatsarchiv aufbewahrt.

«Vielleicht werden Sie jetzt denken, ist dieses Wissen nicht total veraltet?» Ja, es sei veraltet und spiegele die Verästelungen und Entwicklung des Wissens wider. Und nein, es sei mehr als aktuell, weil schon damals sehr genau die Probleme, einen passenden Abt zu wählen, dokumentiert wurden. «Ein Management-Problem, vor dem auch heute alle stehen», sagt Voellmin schmunzelnd. Viele Stadt- und Gemeindebibliotheken seien aus privaten Bibliotheken und Büchersammlungen entstanden und wurden so zu öffentlichen Bibliotheken. Die Bibliotheken würden jedoch immer in Abhängigkeit vom Buch- und Medienmarkt stehen. Sie können nur erwerben und anbieten, was der Markt produziert und wie er produziert.

«Wir erleben heute den Digitalturn mit, wie einfach sich digitale Texte verbreiten lassen», sagt die Staatsarchivarin. Jeder Technikschritt vom Bleisatz bis Instagram habe die Vertriebskanäle verändert. Die Bibliothek müsse mit diesem Wandel mitziehen, müsse sich entwickeln. Denn Bibliothekare seien seit jeher Spezialisten für den Informationstransfer, für den Umgang mit dem Rohstoff Wissen. In welcher Verpackung auch immer. Gleichzeitig könne man aber auch über Internet-Suchmaschinen jederzeit an die Informationen kommen, die man brauche. Die Bibliotheken würden jedoch, wenn sie am Ball blieben, auch weiterhin Orte des Wissens und Lernens bleiben.

Wissen, Bildung und Geschichte

Zu Wort kam auch der Möriker Fotograf Thomas Kern, der lange im Ausland lebte. Er ist Mitbegründer der Schweizer Fotoagentur Lookat Photos und hat sich in den 1990er-Jahren mit Reportagen über die Auswirkungen von Krieg und Konflikten einen Namen gemacht. Thomas Kern gestand gleich zu Beginn, ein seltener Besucher von Bibliotheken zu sein, was die Wichtigkeit dieser Institution nicht schmälern möge. Er lese viel, aber Bücher, die man nicht so leicht in Bibliotheken finden würde. Und er betonte, wie wertvoll Bibliotheken für Wissen, Bildung und Geschichte seien.

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