Museum Burghalde feiert grosse Lenzburger Persönlichkeiten
Lenzburg Das Museum Burghalde würdigt in der neuen Ausstellung «Pionierinnen, Künstlerinnen, Denkerinnen» das Leben inspirierender Lenzburgerinnen – mit dem Fokus auf die geheimnisvolle Künstlerin Clara A. Müller. Faszinierend, zusammenhängend und anders als bisher.
Alles begann mit der Schenkung von Clara A. Müllers Bildern im Jahr 2018. Kaum bekannt, aber künstlerisch auf höchstem Niveau inspirierte sie Museumsdirektor Marc Philip Seidel, nach weiteren Lenzburger Künstlerinnen zu recherchieren. «Niemand hätte gedacht, dass es so viel Material geben würde», sagt Seidel. Was mit wenigen begann, wuchs rasch: Aus den 9 Musen wurden 13, dann 23 – und nun sind es 30 Frauen. Eine nicht abgeschlossene Liste aus Sängerinnen, Malerinnen, Philosophinnen, Schriftstellerinnen, Komponistinnen und Bildungspionierinnen. «Das ist das erste Mal, dass wir so etwas machen», erklärt Seidel. Vom Konzept bis zur Gestaltung wurde die aufwendige Ausstellung ganz im Museum realisiert – ohne die Hilfe externer Grafiker. Das Ergebnis jahrelanger Recherchearbeit mit viel Herzblut kann sich sehen lassen – und liefert gleich zwei druckfrische Bücher.
«200 Jahre Lenzburger Powerfrauen»
Durch die Neuformierung des Aargaus nach Napoleon bot die Stadt einen fruchtbaren Boden für neue Entwicklungen. Auf einem vereinfachten Stammbaum wird deutlich: Viele der Künstlerinnen – darunter Hünerwadel und Wedekind – waren eng miteinander verbunden. Ihr Wirken zeigt, wie sehr Bildung, Politik und Wohlstand verknüpft waren. «Ich glaube, es war kein Zufall, Lenzburg war ein Musenheim», so Seidel.
Interaktiv: Zwischen Philosophieren und «Käfele»
Bereits am Eingang werden die Besuchenden Teil der Ausstellung: Drei Murmeln laden dazu ein, zu überlegen: «Was bedeutet Lenzburg für Sie?» Im Raum mit blauem Teppich – eine Anspielung auf die blaue Kugel von Lenzburg – begegnet man den 30 Pionierinnen, deren Lebensgeschichten im Mittelpunkt stehen. Dichterinnen kann man per Telefon «anrufen» und neun Frauen, die in England wirkten, erzählen in Podcasts aus ihrem Leben – mit dem Highlight, dass diese in einer originalen, hundertjährigen Telefonkabine vereint sind.
Der nächste Raum entführt in einen Musengarten, einer Mischung aus Traumwelt und Realität. Hier treffen sich die Zeitgenossinnen imaginär zum 40. Geburtstag von Clara A. Müller. Eine Kaffee- und Teebar lädt zum Verweilen im Garten ein, während Gedichte aus Magnetwörtern neu zusammengesetzt und Bilder gemalt werden können. Ganz im Geist der Inspiration und Innovation, die alle porträtierten Frauen verband. Mit dem Wunsch: «Die Schaffenskraft von damals soll auf die Besuchenden überschwappen.»
Frauengeschichten als neuer Schwerpunkt
Ein dauerhaftes Ergebnis der Ausstellung ist die Gründung des Historischen Frauenarchivs Lenzburg – eines neuen Schwerpunkts in der Museumssammlung. Fortlaufend werden hierfür zeitgenössische Biografien inspirierender Lenzburgerinnen gesammelt und dokumentiert. Begleitend lädt das «Notizbuch der Erinnerungen» dazu ein, die Erinnerung der älteren Generation anhand von Bildern aufzufrischen und eigene Gedanken weiterzugeben.
Auftakt zur Ausstellung – Abschied des Präsidenten
Die Vernissage im Alten Gemeindesaal bot einen emotionalen und würdigen Auftakt für die Ausstellung. Malerin Clara A. Müller war die Grosstante der Pianistin Clara Luisa Demar. Als Schenkerin des Nachlasses eröffnete Demar den Abend am Flügel. Sie widmete Clara A. Müller mehrere Musikstücke mit den Worten: «Ich möchte Clara mit meiner Musik Freiheit geben.» Denn: «Meine Mutter sagte, Tante Clara war wie ein gefangener Adler. Ich danke der Stiftung Burghalde, dass sie heute die Tür des Käfigs öffnen, damit der Adler fliegen kann.» Anschliessend würdigte Christine Egerszegi, ehemalige Nationalratspräsidentin, in einer nahbaren Ansprache die Lenzburger Pionierinnen, deren Mut, Ausdauer und Fähigkeiten bis heute prägend seien. Stiftungsratspräsident der Stiftung Museum Burghalde Urs F. Meier verabschiedete sich mit den Worten: «Freude und Wehmut geben sich die Hand. Freude, dass ich heute die Vernissage präsentieren durfte – Wehmut, weil dies das Letzte ist in meiner Zeit als Präsident. Ich gebe das Amt ab.»



