Schüler sehen Tanz in neuem Licht
Lenzburg: Tanz, visuelle Kunst und Musik sind seit Januar omnipräsent im variablen Stundenplan dreier 5. Klassen der Schule Angelrain. Das pädagogische Kunstprojekt «kopfüber» hat bei den Lenzburger Jugendlichen das Image vom Tanzen aufpoliert.
«Ich und Tanzen. Muss das sein?!», am Anfang hegte der elfjährige Nick Teufelberger aus Lenzburg, der in seiner Freizeit Badminton und Fussball spielt, gegenüber dem angekündigten spartenübergreifenden Kunstprojekt «kopfüber» einige Skepsis. Mittlerweile hat er Gefallen am Tanzen gefunden und kann sich sogar vorstellen nach dem Projekt damit weiterzumachen. «kopfüber» von tanz&kunst königsfelden, unter der Leitung von Brigitte Luisa Merki, hat den Schulalltag von 75 Schülern dreier fünfter Klassen der Schule Angelrain seit Januar verändert. Ein paar Tage am Stück arbeiten Künstlerinnen und Künstler aus den Sparten Tanz, visuelle Kunst und Musik jeweils mit den Jugendlichen zusammen, danach heisst es wieder Schulstoff büffeln – noch bis zum Projektende Anfang Juni in komprimierter Form. Klassenlehrerin Sandy Marxer greift jedoch auch gerne während des Unterrichts mit Pflichtstoff auf ein paar Tanzübungen zurück, um die Stunden aufzulockern. «Danach haben sie wieder den Kopf frei», erklärt sie.
Der veränderte Schulalltag kommt bei den Schülern an. «Das ist viel besser als normale Schule», findet die elfjährige Anouk Borer. Genau wie Nick hatte sie vor Projektstart mit Tanzen nicht viel am Hut. Jetzt gefällt es ihr. «Besonders Hip-Hop ist cool, aber auch anstrengend.» Die Grundlagen des Hip-Hops vermittelt den Lenzburger Schülern kein geringerer als Tanzpädagoge und mehrfacher Hip-Hop-Weltmeister Patrick Grigo.
«Bounce, Bounce, Kopf, Kopf, Bein, Bein – das muss locker sein, ihr seid doch keine Pferde», leitet der 37-Jährige die Jugendlichen an. Die Kids sind voll konzentriert; auch nach der x-ten Wiederholung. Derzeit werden die seit Januar einzeln eingeübten Tanzeinlagen, das sind neben Hip-Hop auch zeitgenössische Tanzelemente, von Choreografin Brigitta Luisa Merki zu einem grossen Ganzen zusammengeführt. Die Schüler erhalten also eine erste Vorstellung davon, wie das Endprodukt aussehen wird. Die gelernten Elemente müssen die Jugendlichen jetzt wieder abrufen können. «Das klappt gut», sagt Merki. «Es ist enorm, was sie sich alles merken können.»
Ein Kirchenhimmel «kopfüber»
Der Schwerpunkt von «kopfüber» liegt im Tanzen, die Jugendlichen erhalten aber auch Einblick in die visuelle Kunst. In einem Workshop erstellen sie Installationen und Collagen für die anstehenden Aufführungen Anfang Juni. Der Projektname «kopfüber» ist dabei Programm. Die Kids setzen sich mit einer Welt auseinander, in der alles verkehrt herum ist oder steht. Man darf gespannt sein, was sie sich zum Thema alles einfallen lassen. Die Objekte werden am Aufführungsort, der Klosterkirche Königsfelden in Windisch, den Kirchenhimmel in einen kopfüber hängenden Zauberwald verwandeln. «Zusammen mit der Tanz-Performance der Jugendlichen und Livemusik entsteht damit ein einzigartiges Gesamtkunstwerk in der Klosterkirche», sagt Choreografin Merki.
Mit «kopfüber» geht das von ihr initiierte pädagogische Kunstprojekt bereits in die dritte Runde. Zur Zusammenarbeit mit der Schule Angelrain kam es an einer Veranstaltung von «Kultur macht Schule». «In Lenzburg ergab sich die gewünschte Konstellation mit drei gleichaltrigen Klassen», so Merki. Die vorhergehenden Projekte wurden jeweils von Klassen unterschiedlichen Alters umgesetzt.
Tanzpädagoge Patrick Grigo, der schon viele Jugendprojekte begleitet hat, ist von den Lenzburger Schülern begeistert. «Obwohl die meisten keinen Tanzhintergrund haben, ist das Level und die Aufnahmefähigkeit der ganzen Gruppe stark. Das ist besonders.»
Grigo und Merki sind sich einig, dass sich Tanz «hervorragend» eignet, um den Kindern gutes Rüstzeug mit auf den Lebensweg zu geben. «Tanz hat ein enormes Erziehungspotenzial, man kommt um strukturiertes und diszipliniertes Arbeiten nicht herum», so Merki. «Ausserdem lernen die Kids im Laufe des Projekts Dinge durchzuhalten und mit Höhen und Tiefen umzugehen», sagt Grigo. Merki möchte den Kindern mit dem Projekt vermitteln, dass jedes Einzelteil im grossen Ganzen zählt. «Meistens merken die Jugendlichen erst bei der Aufführung, dass es beim Projekt eigentlich um sie geht. Dass alle Leute nur ihretwegen gekommen sind.»