Pflichtteile
Eine Frau hält in ihrem Testament fest, dass ihr gesamtes Vermögen an ihr geliebtes Patenkind gehen soll. Ist das möglich? Dabei kommt es darauf an, ob die Frau verheiratet ist und ob sie Kinder hat. Nur wer unverheiratet und kinderlos ist, kann im Todesfall komplett frei über sein Vermögen verfügen. Denn Ehegatten und Kinder haben einen Anspruch auf einen Mindestanteil am Erbe, den sogenannten Pflichtteilsanspruch. Der Erblasser kann also nicht uneingeschränkt verfügen und beispielsweise seinen gesamten Nachlass einer Tierschutzorganisation oder einem guten Freund zukommen lassen, sondern muss einen bestimmten Teil des Nachlasses dem Ehegatten und den Kindern vererben. Früher hatten auch Eltern einen Pflichtteilsanspruch, heute jedoch nicht mehr. Ist ein Erblasser verheiratet, hat aber keine Kinder, hat der Ehegatte einen Mindestanspruch auf die Hälfte des Nachlasses. Hat ein Erblasser Kinder, ist aber nicht verheiratet, beträgt der Pflichtteil der Kinder ebenfalls die Hälfte des Nachlasses. Wenn nun ein Erblasser verheiratet ist und auch Kinder hat, erhalten sowohl die Kinder als auch der Ehegatte zwingend jeweils einen Viertel des Nachlasses. Das bedeutet, dass der Erblasser in jedem Fall über die Hälfte seines Vermögens frei verfügen kann. Früher waren die Pflichtteile höher, mit der Erbrechtsrevision 2023 wurden sie aber gekürzt.
Was passiert jetzt aber, wenn ein Erblasser in einer letztwilligen Verfügung die Pflichtteile verletzt? Nehmen wir an, ein Vater vererbt in seinem Testament die abbezahlte Liegenschaft seiner Konkubinatspartnerin und die Tochter erhält das wenige Bargeld. Solange sich die Tochter nicht wehrt, gilt der Wille des Erblassers. Ein pflichtteilsgeschützter Erbe ist somit nicht verpflichtet, seinen Anspruch zwingend durchzusetzen. Besteht in unserem Beispiel die Tochter auf ihren Pflichtteil, so muss sie gegen die Konkubinatspartnerin klagen.
Eine vollständige Enterbung ist nur in Ausnahmefällen möglich, etwa wenn ein Pflichtteilsberechtigter schwere Straftaten gegen den Erblasser oder dessen Angehörige begangen hat.
«Recht-Tipp». Hier schreibt lic. iur. Gabriela Furter jeweils über rechtliche Aspekte. Sie führt in Lenzburg die Firma «Notariat Furter & Partner GmbH».