Mein Körper Teil 2

«Mein Körper begann mit mir zu sprechen und wurde zu meinem Komplizen» – dies meine Worte an dieser Stelle vor zwei Monaten. Doch bis es gelang, dem Komplizen zu vertrauen, galt es zuerst, die Sprache des Körpers verstehen zu lernen.

Nach harter innerer Auseinandersetzung erkannte ich vor vielen Jahren: Mein Leben hat ein Verfallsdatum. Und doch, noch heute pochen über Jahrzehnte antrainierte Verhaltensmuster auf Erfüllung. Was darfs noch sein; ein neues Grossprojekt, ein Sprung von der 285 Meter hohen Staumauer Grande Dixence oder gar nochmals ein neuer Job? Doch leise flüstert eine Stimme: Wie wäre es, die Qualität des Nichtstuns zu erforschen, den selbst auferlegten Leistungszwang zu stoppen und der Frage nach dem Sinn des Lebens Raum zu geben? Fast automatisch verringert sich der Drang, gebraucht zu werden, die Sprache des Komplizen genannt Körper wird verständlicher, die Erkenntnis, dass es nicht lohnenswert ist, die Ressourcenvorgaben des Körpers immer wieder mit Kraftaufwand und Willensstärke zu übertölpeln, reift.

Welch Genuss, nicht immer funktionieren zu müssen, mir täglich Qualitätszeit zu schenken. In der Stille die Sonnenstrahlen auf der Haut spüren, neugierig den eigenen Geist beobachten, welcher im Minutentakt versucht, mich in den Alltag zurückzulocken. Zulassen, dass sich auch das Herz erwärmt, versöhnt mit dem, was noch versöhnt sein muss. Die Stimme des Komplizen wird gehört, die Schrittlänge passt sich an. Ohne Zeitfenster von A nach B zu gelangen, eröffnet ungeahnte Lebensintensität. Das satte Blattwerk der frisch gepflanzten Bäume an der Bahnhofstrasse, das freundliche Nicken einer Passantin, welch grosse Freuden.

Tipp der Woche: Wann hast du dir letztmals Zeit geschenkt und dich entspannt der Frage nach dem Sinn des Seins hingegeben? Kein Müssen, kein Suchen, zulassen, dass die Antworten dich aus der Stille finden. Probier’s aus.

«Tipp zum Alltag». Hier schreiben Dozenten des CAS-Studienlehrgangs Achtsamkeit in Lenzburg jeweils über psychologische Aspekte im Alltag. Die Autoren Horst Hablitz, Thomas Jenelten, Jörg Kyburz und Volker Schulte wechseln sich ab.

Freund und Gefährte. Illustration: mky

Jörg Kyburz

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