Mein Körper
Unser Körper verändert sich auf unserem Lebensweg – ebenso verändert sich unsere Beziehung zu ihm. Liegt der Raubbau in jüngeren Jahren noch nahe, zeigt sich nicht selten beim Älterwerden, dass auch mit gemächlicherem Gang ein Ankommen möglich ist.
Freund oder Gefährte – was unser Körper für uns ist, lässt sich nur selbst herausfinden. Lange kannte ich meinen Körper nur als «Erfüller». Er sollte mich so schnell wie möglich, energiegeladen, lustvoll und ohne zu murren durchs Leben führen. Im besten Fall als stummer Komplize bei fröhlichen Ausschweifungen, immer spielbereit, doch sicher ohne Forderungen zu stellen. Mit den Jahren merkte ich, dass ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht hatte. Mein Körper veränderte sich, die Leistungsfähigkeit sank, Verletzbarkeit und Schwäche wurden sichtbar. Zudem forderte er plötzlich Dinge, die getan, gefühlt oder gemieden werden sollten, nur so war er noch bereit, mir gelegentlich positive Ausschüttungen wie Dopamin, Oxytocin, und weitere zu schenken.
Und plötzlich begann mein Körper mit mir zu sprechen, er wurde tatsächlich zu meinem Komplizen, wenn auch anders, als ich dies zuvor dachte. Er wurde unvermittelt, anfänglich kaum bemerkt, zum Anwalt meines Schmerzes. Mein Körper als Instrument der Wahrheit, bereits Nietzsche hatte dies erkannt, für mich eine tiefgreifende Erkenntnis, welche mich immer wieder von Neuem in Pflicht nimmt. Plötzlich öffnet der Körper das Gefühl für die Welt, zeigt die geheimnisvolle Ganzheit, wird zur tragfähigen Brücke zur eigenen Seele, treuster aller Gefährten und lässt mich erfahren, er hat keine Halbheiten verdient, es lohnt sich, ihm Sorge zu tragen.
Schmecken, tasten, riechen, empfinden, unser Körper ist fühlend und wissend. Er bestimmt, wie wir die Welt wahrnehmen, ob wir Farben und Formen erfassen, Bäume oder Äpfel als solche erkennen. Komplize, Gefährte oder Freund, was ist dein Körper für dich?
«Tipp zum Alltag». Hier schreiben Dozenten des CAS-Studienlehrgangs Achtsamkeit in Lenzburg jeweils über psychologische Aspekte im Alltag. Die Autoren Horst Hablitz, Thomas Jenelten, Jörg Kyburz und Volker Schulte wechseln sich ab.