Konsequenter Konsenspolitiker und Pionier der Aargauer Umweltpolitik

Lenzburg Es gibt Politikerinnen und Politiker, deren Wirken kaum Spuren hinterlässt oder nur oberflächliche, rasch verblassende. Auf den Aargauer alt Regierungsrat und alt Nationalrat Ulrich Siegrist, der am 4. Juni seinen 80. Geburtstag feiern konnte, trifft dies sicher nicht zu.

Ulrich Siegrist beim Pfeifenrauchen in seinem Stammlokal ArtCibar, in der Lenzburger Rathausgasse.Foto: zvg

Der Lenzburger Ulrich Siegrist hat mehrere Jahrzehnte lang auf verschiedenen politischen Ebenen markante Zeichen gesetzt, von denen viele heute noch spür- und sichtbar oder sogar in die Annalen eingegangen sind. Mit 37 Jahren hat er als jüngster Regierungsrat mit wegweisenden Ideen, Vorschlägen und Entscheiden den Natur-, Umwelt- und Landschaftsschutzgedanken in die Aargauer Exekutive gebracht und darin verankert. Auf nationaler Ebene hat er viele Jahre lang als Nationalrat - als Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission - und Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft die Sicherheitspolitik der Schweiz mitgeprägt und um Lösungen zur Modernisierung und Weiterentwicklung der Armee gerungen; als erfahrener Truppenkommandant und Generalstabsoffizier konnte er dabei viel praktische Erfahrung einbringen.

Siegrist beendete FDP-Tradition im Bezirksgericht

Siegrist wuchs in Fahrwangen als Sohn eines Weinhändlers auf und absolvierte nach der Schule ein Jus-Studium, welches er als Dr. jur. und mit Anwaltspatent abschloss. Im Juni 1977 gelang ihm ein erster grösserer politischer Coup: Als 32-Jähriger trat er bei den Lenzburger Bezirksgerichtswahlen als Kampfkandidat der Schweizerischen Volkspartei (SVP) an und machte den Freisinnigen das von ihnen seit Menschengedenken beanspruchte Gerichtspräsidium abspenstig. Dies war der Start zu einer fulminanten politischen Blitzkarriere, die ihn zwei Jahre später in den Grossen Rat und 1983 in den Regierungsrat führte (bis 1991 Baudirektor, bis 1999 Finanzdirektor).

Nachhaltigkeit immer auf der Fahne

Als junger Baudirektor brachte Siegrist frischen Wind in die kantonale Baupolitik, welche er zu einer Umweltpolitik ausweitete; indem Natur- und Landschaftsschutz, Renaturierungsvorhaben, nachhaltige Energieproduktion und ökologische Wald- und Landwirtschaft gleichwertige Bedeutung und Gewichtung erhielten wie Kantonsstrassen- oder Autobahnbau. Beispielhaft hierfür sei das langjährige Ringen um eine landschaftsverträgliche Linienführung der A3 im Bereich Bözberg-Schinznacherfeld erwähnt. Ueli Siegrist gelang es, mit den ihm eigenen Wesenszügen Besonnenheit, Leidenschaft, Hartnäckigkeit, Durchsetzungsvermögen und Klugheit den gordischen Knoten zu zerschlagen und das vom Autobahnbau bedrohte Naturidyll Sagimülitäli zu retten.

Siegrist machte sich mit seinen umweltpolitischen Vorstellungen – naturgemäss – nicht nur Freundinnen und Freunde. Eine der härtesten Auseinandersetzungen entspann sich um das Hallwilersee-Schutzdekret, welches zum Teil einschneidende Einschränkungen zur Folge hatte. Er betrieb, nicht nur in diesem Fall, eine konsequente Konsenspolitik. Zu seiner Aktivzeit suchte Siegrist stets – und fand solche meist auch - realistische, machbare und vor allem sinnvolle Lösungen mit einem möglichst grossen gemeinsamen Nenner. Standen diese einmal fest, versuchte er sie energisch, oftmals auch kompromisslos durchzusetzen. Diese Charakter- und Persönlichkeitseigenschaften führten neben anderen Qualitäten und Kompetenzen 1987 und 2000 zu zwei aussichtsreichen Bundesratskandidaturen – ab der Jahrtausendwende aber auch zu einer zunehmenden Belastung des Verhältnisses und schliesslich zum Bruch mit seiner Partei, die sich immer stärker und schneller von den von Siegrist gelebten Werten und Prinzipien entfernte.

Heute noch einflussreich und beliebt

Heute hat Ueli Siegrist den Status eines weisen, nahbaren, zeitweilig sogar leutseligen «Elder Statesmen» und geniesst weit über Lenzburg und den Kanton Aargau hinaus Hochachtung und Anerkennung für sein erfolgreiches politisches Lebenswerk. Er ist – nicht zuletzt dank seiner unersättlichen Bücher- und Zeitungslektüre – ein beliebter und gefragter Gesprächs- und Diskussionspartner über Gott und die Welt(politik), aber durchaus auch zum politischen und gesellschaftlichen Geschehen in seiner Wohn- und Heimatstadt Lenzburg, der er notabene nach vielen, vielen Jahrzehnten endlich wieder einmal eine Vertretung im Regierungsrat beschert hatte.

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