Faszinierende Kunst zwischen Seoul, London und Lenzburg
Lenzburg Minhee Kim ist eine faszinierende Künstlerin, die durch ihre interdisziplinäre Arbeit zwischen verschiedenen Medien Brücken schlägt. Ihre Kunst zwischen Südkorea, London und nun auch Lenzburg zeigt nicht nur ihre künstlerische Entwicklung, sondern auch ihre Fähigkeit, sich an unterschiedliche Lebensumgebungen anzupassen. Im Rahmen des «Artist in Residence»-Programms ist sie noch bis Anfang April in der Villa Sonnenberg zu Gast.
Autos hupen, Menschen eilen über die Strassen, und die Lichter erlöschen niemals: Minhee Kim kennt das Leben in Grossstädten. Geboren und aufgewachsen in Südkorea, zog die interdisziplinäre Künstlerin vor rund zehn Jahren nach London, um im Anschluss an ihre Ausbildung an der Ewha Womans University in Seoul am Royal College of Art Kunst zu studieren.
Lenzburg als Ruhepol
Ihre künstlerische Arbeit wurde bereits mit zahlreichen Ausstellungen und Residenzen international gewürdigt. Zu den Höhepunkten zählt ihre Finalteilnahme beim Loewe Craft Prize 2019 in Tokio. Ihre Werke wurden in angesehenen Biennalen und Ausstellungen gezeigt, darunter die Lucca Biennale 2021, die European Prize for Applied Arts 2021 in Belgien sowie das London Design Festival 2018. Dabei blieb die Künstlerin ihrer Wahlheimat London nach ihrem Uni-Abschluss treu – nicht nur, weil London ein pulsierendes Zentrum für Kunst und Kultur ist, sondern auch, weil sie hier ihre grosse Liebe fand und heiratete.
Weg- und wettertechnisch war es für die Künstlerin also kein grosser Sprung, als sie sich im Januar dieses Jahres zu ihrem «Artist in Residence»-Programm von London nach Zürich aufmachte. Dennoch eine massive Umstellung nach Millionenstädten wie Seoul und London. In Lenzburg geniesst die 37-Jährige die Entschleunigung. «Ich schätze die Ruhe und die abgelegene Umgebung sowie die langsamere Gangart des Lebens hier sehr», sagt sie. Die Ruhe der Umgebung erlaube ihr, so Minhee Kim, sich ohne Ablenkung in ihre künstlerische Arbeit zu vertiefen. «Das ist für mich von unschätzbarem Wert.»
Eine vielschichtige Künstlerin
Während ihres dreimonatigen Aufenthalts in der Villa Sonnenberg widmet sich die interdisziplinäre Künstlerin – ihr Schaffen bewegt sich zwischen Malerei, Skulptur, Installationen und Textilien – dem Thema «InterGenerations». «Ein Thema, das mein Engagement widerspiegelt, Generationen- und Gesellschaftsgrenzen zu verstehen und zu überwinden», so Minhee Kim, die im Rahmen ihres Austauschprogramms am vergangenen Samstag einen Kimbap-Kochkurs durchgeführt hat.
Kimbap sind köstliche kleine koreanische Reisrollen – wie Sushi in Koreanisch, bestehend aus Reis (Bap) und Seetang (Kim) – und symbolisieren Gemeinschaft und Harmonie. «Das Gericht spiegelt die gesellschaftliche Einheit wider, die auch in meiner Kunst eine zentrale Rolle spielt», so die Künstlerin. Der Kochkurs, verrät Minhee Kim, sei ein voller Erfolg gewesen – und: bis auf den letzten Platz ausgebucht.
Die neu geknüpften Kontakte und Erlebnisse lässt die Künstlerin in ihr Schaffen einfliessen. «Die Dokumentation solcher Momente wird meine künstlerische Arbeit weiter vertiefen und die Kraft der Kunst hervorheben, Grenzen, Herkunft und Generationen zu überbrücken», erklärt Minhee Kim, die sich während ihrer Zeit in der Villa Sonnenberg auf die Arbeit mit Textilien fokussiert. «Textilien verbinden alles. Sie stehen für Harmonie und Einheit, sind sehr flexibel und vielseitig einsetzbar».
Kunst nach Strich und Faden
Während viele Menschen nähen, um Kleidung oder Heimtextilien herzustellen, gibt es auch jene, die mit Nadel und Faden Kunstwerke schaffen. Das erfordert nicht nur viel handwerkliches Geschick, sondern auch Geduld – insbesondere, wenn man, wie Minhee Kim, mit besonders feinen Fäden, sogenanntem «Monofilament», webt. «Es braucht unendlich viel Geduld, schon nur, bis man starten kann», so Minhee Kim. Die Technik des skulpturalen Nähens nutzt die Künstlerin als Ausdrucksform, mit der sie auch Installationen umsetzt. Dabei wölben und strecken sich ihre Stoffe, wirken mal schwer oder flattern im Wind.
Eines der ersten Werke, das hier entstanden ist, zeigt eine Tradition, die über mehrere Generationen in Minhee Kims Familie weitergegeben wurde: Das Werk zeigt die traditionelle koreanische Methode zur Zubereitung von Fischgerichten. Ein weiteres zeigt drei Baseballkappen. Sie spiegeln auf humorvolle Weise die Dynamik zwischen den Generationen wider, indem sie Slogans zeigen, die für jede Generation repräsentativ sind. Damit soll ein pointierter Kommentar zur aktuellen Interaktion zwischen den Generationen geschaffen werden. Bis zur Atelier-Ausstellung Anfang April sollen noch viele weitere dazukommen, darunter auch ein Werk, das die Geschichte der Villa Sonnenberg aufnimmt. «Die Villa hat eine lange Vergangenheit. Viele Erinnerungen, viel Geschichte verbergen sich zwischen diesen Mauern. Diese Fragmente möchte ich in meinem Werk zusammensetzen, die Erinnerungen verdichten und die Geschichte lebendig werden lassen», verrät Minhee Kim, die nach ihrer Zeit in der Schweiz für eine Ausstellung zurück in ihr Heimatland Südkorea fliegen wird. «Darauf freue ich mich schon sehr, und natürlich sehe ich bei der Gelegenheit auch endlich wieder einmal meine Familie», so Minhee Kim, die ihren Beruf bis an ihr Lebensende ausüben möchte. Ganz nach dem Motto: «Vita brevis, ars longa» (Das Leben ist kurz, die Kunst lang).
Atelier-Ausstellung Minhee Kim: Samstag, 5. April, 17 Uhr (Vernissage), Sonntag, 6. April, 13 bis 17 Uhr, Villa Sonnenberg.