«Escape Room»: Freiwillig für 60 Minuten in Rätsel-Haft
Lenzburg Ein Raum, eine heikle Mission und 60 Minuten Zeit, alle Rätsel zu lösen und aus dem Zimmer zu fliehen. Das neue Spiel von Roberto Lüthi und Thomas Vock dreht sich um die Geschichte von Lenzburg und die Konservenfabrik Hero.
Möchtet ihr einen Hinweis?», scheppert es aus dem Funkgerät. Die illustre vierköpfige Rätselgruppe steht im Raum und kommt offensichtlich keinen Schritt weiter.
Kein Zahlenschloss liess sich bisher öffnen, keine Tür ist auch nur einen spaltweit offen. Wozu dient die schwarzweisse Luftaufnahme von Lenzburg aus früheren Jahren? Warum bläst der Ventilator ununterbrochen? Was hat es mit den vielen Nullen an der Wand auf sich? Fragen über Fragen, und keine Antworten.
Auf der Uhr läuft unerbittlich der Countdown. Noch 49 Minuten bleiben, um die weltberühmte orange Hero-Konservendose aus der verschlossenen Vitrine zu stehlen, den Raum zu verlassen und die Beute zum Hinterausgang zu bringen, wo ein Zwischenhändler warten soll.
Doch von einem Ausbruch ist das Quartett weit entfernt. «Ja, bitte ein Tipp», spricht der 17-jährige Mittelschüler Martin ins Funkgerät. Thomas Vock, einer der beiden Geschäftsführer der Firma «Argovia Escape», welche den Lenzburger «Escape Room» betreibt, gibt den entscheidenden Hinweis. Das Spiel findet seine Fortsetzung. Nun kann die ebenfalls 17-jährige KV-Lernende Melanie das erste Schloss öffnen, und in den Raum kommt hektische Betriebsamkeit.
Unkonventionelle Lösungen
Im vergangenen September eröffneten der Villmerger Thomas Vock (30) und der gebürtige Zürcher Roberto Lüthi (35) – beide leidenschaftliche Knobler und Tüftler – an der Niederlenzerstrasse 29 ihren «Escape Room». «Escape» ist Englisch und bedeutet Flucht. Innert 60 Minuten einen Raum zu verlassen, in welchen man sich zuvor hat einsperren lassen, ist das Hauptziel.
Das Herausfordernde: In «Escape Room» müssen Probleme auf eine spezielle Art und Weise gelöst werden. Ein alltäglicher Gegenstand wie ein in die Jahre gekommenes Telefon mit Wählscheibe oder eine handelsübliche Batterie können den entscheidenden Hinweis liefern. «Die Leute lieben diese Art von Rätselraten», sagt Lüthi. Deshalb erleben Escape Rooms weltweit einen anhaltenden Boom. Verlässliche Zahlen gibt es nicht, doch dürften alleine in der Schweiz an die 100 solcher Eventlocations in Betrieb sein.
Kribbeln im Überwachungsraum
Ein paar Meter neben dem Escape Room, in welchem die vier Rätselfreunde langsam in die Gänge kommen und eine Lösung nach der anderen finden, sitzen Vock und sein Geschäftspartner Roberto Lüthi im Überwachungsraum und beobachten via einer im Escape Room installierten Kamera das Geschehen.
Die beiden fiebern mit, leiden, freuen sich darüber, wenn wieder ein Rätsel gelöst wurde. Und werden zuweilen unruhig, wenn sie zuschauen müssen, wie die Spielerinnen und Spieler haarscharf an einer Lösung vorbeischrammen. So wie an diesem Abend das eine oder andere Mal. «Wir bieten an, per Funk Hinweise zu geben», meint Vock. Ob die Hilfe tatsächlich angenommen wird, hänge auch vom Stolz der Spieler ab, meint Lüthi schmunzelnd.
Nach 60 abwechslungsreichen Minuten Knobeln, Tüfteln und Ausprobieren ist die Zeit abgelaufen. Die wertvolle Hero-Dose konnten die vier zwar aus der Vitrine stehlen. Ganz bis zum Hinterausgang haben sie es dann doch in der vorgegebenen Zeit nicht geschafft.
Argovia Escape GmbH, Niederlenzerstrasse 29, 5600 Lenzburg. www.argoviaescape.ch
Escape Room Lenzburg
Spiel 1: Hier geht es darum, einen verschollenen Freund zu finden. Er soll von einer ominösen Gestalt in eine verborgene Welt entführt worden sein. Auf der Suche gilt es, zahlreiche Rätsel zu lösen und Fragen zu beantworten. Wird der Freund nicht innert 60 Minuten gefunden, bleibt er für immer verschollen.
Spiel 2: Im Museum an der Niederlenzerstrasse 29 wird die berühmte orange Hero-Konservendose ausgestellt. Der Auftrag: Die Dose zu entwenden und innert 60 Minuten zum Hinterausgang zu bringen, wo ein Zwischenhändler wartet. Die Zeit drängt, der Sicherheitsdienst wird bald wieder seine Runden drehen.
Preise: Ab 90 Franken (für zwei Spieler) bis 150 Franken (für sechs Spieler).
Spielzeiten: Montag bis Freitag, 18 bis 22 Uhr, Samstag und Sonntag, 10 bis 22 Uhr. Kurzfristige Spieltermine oder Termine ausserhalb der Öffnungszeiten auf Anfrage. Reservation zwingend.
Altersgerecht: Im «Escape Room» können zwei bis sechs Spieler ab 18 Jahren gleichzeitig an einem Rätsel knobeln. Jugendliche und Kinder von 9 bis 17 Jahren müssen in Begleitung eines Erwachsenen sein. Für jüngere Kinder ist das Spiel nicht geeignet.
Interview mit Roberto Lüthi:
«In den grossen Hollywood-Blockbustern gehts auch meist um einen Raub»
Im ersten Spiel müssen die Spieler einen Freund retten, im zweiten Spiel werden die Spieler zu Dieben. Warum diese Wandlung von Gut zu Böse?
Roberto Lüthi: Das hat sich zufällig ergeben. Unser Ziel war es von Anfang an, im zweiten Raum die Geschichte der Stadt Lenzburg sowie jene des Gebäudes, in welchem wir eingemietet sind, zu thematisieren. In den grossen Hollywood-Blockbustern dreht es sich ja schliesslich auch meist um einen Raub, sobald ein Museum Hauptbestandteil der Geschichte ist.
Kinder ab neun Jahren dürfen mitspielen. Gabs noch keine Reaktionen von Eltern, weil die Kinder etwas stehlen sollen?
Bis jetzt wurden wir diesbezüglich noch nicht angesprochen. Und seien wir doch ehrlich: Jeder möchte mal in die Rolle eines Diebes schlüpfen (schmunzelt).
Das erste Spiel läuft seit September 2017, das zweite Spiel seit 1. Juli. Welches Spiel wird aktuell mehr gebucht?
Bis jetzt das erste Spiel. Dies aber wohl, weil man es besser kennt. Wir haben das zweite Spiel schon beworben, aber dies braucht trotzdem seine Zeit.
Wie viele Gruppen durften Sie seit der Eröffnung begrüssen?
Über 350 Gruppen. Wir sind zufrieden.
Sie und Ihr Partner haben sicher schon Ideen für ein drittes Spiel. Gibt es in Lenzburg genügend Platz dafür?
Ein paar Ideen haben wir tatsächlich schon beisammen. In den aktuellen Räumlichkeiten haben wir jedoch keinen zusätzlichen Platz mehr.
Dann gibt es Überlegungen, eine «Filiale» in der Region zu eröffnen?
Ja, die gibt es tatsächlich.
Das Thema «Hero» ist im neuen Spiel allgegenwärtig. In welcher Art werden Sie von der Hero unterstützt?
Wir haben von der Firma die entsprechenden Dosen-Etiketten erhalten und vom Museum Burghalde alte Werbeplakate und -ständer. Nicht alles konnten wir fürs Spiel verwenden, doch gaben diese Ideen für die Gestaltung. (rubu)