«Es gibt nicht DIE Schule»

Beim dritten Forum «Wirtschaft trifft Politik» am nächsten Dienstag in Lenzburg geht es unter dem Titel «praxisfern und zukunftsblind?» um Bildung. Unternehmer und Berufsschul-Präsident Markus Möhl ist einer der Teilnehmer am Podium.

«Die teuerste Ausbildung ist die, die es nicht braucht»: Markus Möhl, Geschäftsführer der Firma Chestonag Automation AG und Präsident der Berufsschule Lenzburg.

«Die teuerste Ausbildung ist die, die es nicht braucht»: Markus Möhl, Geschäftsführer der Firma Chestonag Automation AG und Präsident der Berufsschule Lenzburg.

Wirtschaft und Politik im Dialog: Szene vom «Forum» 2016.

Wirtschaft und Politik im Dialog: Szene vom «Forum» 2016.

Beim noch jungen Gemeindeverband Lebensraum Lenzburg Seetal (LLS) hat sich das Wirtschaftsforum zu einer tragenden Säule im Jahresprogramm entwickelt. Dieses Treffen von Politikern aller Stufen mit Vertretern der Wirtschaft, wobei hier die KMU dominieren, hat sich als Austauschplattform bereits etabliert.

Für die dritte Austragung am nächsten Dienstag haben sich die Organisatoren ein Thema ausgesucht, das in der Öffentlichkeit permanent diskutiert wird und auch eine gewisse Spannung zwischen den beiden Blöcken beinhaltet.

Basiswissen ist zentral

Markus Möhl ist einer der Teilnehmer am Podium. Entsprechend seinen Funktionen als Unternehmer eines Betriebes, der zahlreiche Lehrlinge ausbildet, und als Präsident des Schulvorstandes der Berufsschule Lenzburg ist er an Bildungsfragen interessiert und wünscht sich eine Stärkung des Basiswissens.

In einem grossen Interview mit der «Aargauer Zeitung» vor zwei Jahren hat er sich kritisch über das Basiswissen von Volksschulabgängern geäussert: «Wir haben zunehmend Lehrlinge, die Grundrechenoperationen nicht können und ernst zu nehmende Schreib- und Lesedefizite aufweisen.»

Im Nachgang jenes Artikels habe er verschiedene Reaktionen, sogar von ausserhalb des Kantons, erhalten, blickt Möhl zurück: «Auch von vielen Lehrern gab es überraschend positive Rückmeldungen.» Ihm sei es damals «um den Hinweis aus der Praxis auf ein wachsendes Wissensdefizit» gegangen.

Möhl sieht aber im persönlichen Umfeld positive Entwicklungen: «Ingenieure haben heute eine andere Methodik, Probleme zu lösen. Die Schulabgänger sind besser auf rasch wechselnde Aufgaben vorbereitet. Das macht die Schule gut.»

Zwei entscheidende Fragen

Vor dem Wirtschaftsforum von nächster Woche vertritt der Unternehmer im Wesentlichen die gleiche Haltung wie im AZ-Artikel von 2015. Im Vorfeld des Podiums hat er sich grundsätzliche Gedanken über die Ausbildung gemacht: «Die Schule bekommt einen Rohling und muss 20 Jahre später ein Endprodukt abgeben, ohne am Anfang zu wissen, was die Bedürfnisse der Gesellschaft nach jenen 20 Jahren sind.»

Die Fragestellung des Forums – «praxisfern und zukunftsblind?» – ist für Markus Möhl zu wenig präzis: «Welche Praxis meinen wir? Verwaltung, Grossbetriebe oder KMU sind nicht das Gleiche.»

Obwohl erklärtermassen ein Verfechter der dualen Ausbildung («mit der Berufsmatura hat man heute unglaubliche Möglichkeiten»), spricht sich Möhl gegen den Wettbewerb zwischen Berufslehre und Gymnasium aus. Er wünscht sich jedoch weniger Prestigedenken, vor allem bei Eltern und Politikern, die eine möglichst hohe Maturitätsquote als erstrebenswert erachten.

Bei der Weichenstellung, etwa mit 14 Jahren, müsste man sich zwei entscheidende Fragen stellen: «Welche Eignungen hat das Kind?» und «Gibt es für den anzupeilenden Beruf einen echten Markt?» Bei der zweiten Frage denkt Möhl an gewisse akademische Zweige, für die – meist bei der öffentlichen Hand – ein Betätigungsfeld gesucht werden muss. «Die teuerste Ausbildung ist die, die es nicht braucht», ist der Seenger Unternehmer überzeugt.

Ein grosses Problem der Schule sei, dass sie von aussen – auch von einem relativ trägen politischen System – definiert wird. Deshalb ist Möhl überzeugt: «Es gibt nicht DIE Schule, die für alles verantwortlich gemacht werden darf.»

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