Engagement mit Herz für die Erhaltung des Igelbestandes

Dürrenäsch Der Verein Igelhilfe Mittelland setzt sich seit 2023 in Dürrenäsch für das Wohl der kleinen Wildtiere ein. Dass es in der Igelstation nie langweilig wird, durfte ich hautnah miterleben.

Sasha kommt auf der Station an.Foto: DHu

Sasha kommt auf der Station an.Foto: DHu

Esther Leisibach, Ehrenamtliche in diversen Bereichen, und Doris Nagl, Ehrenamtliche im Medi-Team. Foto: Debora Hugentobler

Esther Leisibach, Ehrenamtliche in diversen Bereichen, und Doris Nagl, Ehrenamtliche im Medi-Team. Foto: Debora Hugentobler

Unter Betäubung werden kranken Igeln Antibiotika gespritzt.Foto: Debora Hugentobler

Unter Betäubung werden kranken Igeln Antibiotika gespritzt.Foto: Debora Hugentobler

Es ist Sonntagmorgen, acht Uhr. Zwei freiwillige Helferinnen, die für das Saubermachen der Ställe verantwortlich sind, sind bereits vor Ort. Auch Doris Nagl, Co-Leiterin der Igelstation und Ehrenamtliche im Medi-Team, ist früh im Einsatz. Das ist gut so, denn um Viertel nach acht klingelt es bereits: Ein Neuankömmling wird gebracht. Es handelt sich um einen Igel, der tagsüber wach war. Doris Nagl nimmt sich des Tieres an und legt es als Erstes auf die Waage. Mit einem inhalativen Anästhetikum, welches der Igel durch ein Glas einatmet, wird er für die Untersuchung ruhiggestellt. Eine Krankenakte wird angelegt, in welcher Befunde und allfällige Medikationen eingetragen werden. Nagl untersucht Arme und Beine, schaut, ob ein Milbenbefall vorliegt, und kontrolliert das Ausmass an Zahnstein. Da auch Kiefer, Augen und Ohren unauffällig zu sein scheinen, darf der Igel nach routinemässiger Flohentfernung in sein provisorisches Zuhause einziehen.

Die Person, die den Igel in die Station gebracht hat, darf ihm einen Namen geben. Nagl untersucht dann noch den Kot des Igels – welcher Sasha getauft wurde – unter dem Mikroskop.

Ich begleite die zwei Frauen vom Putzteam auf ihrer morgendlichen Runde. Zuerst kommen die Wasserschalen von den Ställen in den Geschirrspüler. Danach werden die schmutzigen Handtücher, welche die Igel als Versteck nutzen, in der Waschmaschine verstaut. Wir wechseln vom Keller ins Obergeschoss, in dem sich die drei Igelzimmer befinden. Jeden Morgen erneuern zwei bis drei Ehrenamtliche die Unterkünfte der Igel. Alle dafür notwendigen Utensilien sind zu jeder Zeit ordentlich bereitgestellt. Behutsam nehme ich die kleine Igelin Anna mit einem Tuch aus ihrem Häuschen und lege sie vorübergehend in eine Kiste. Dann werfe ich die Zeitungsschichten, mit denen die Wanne ausgekleidet ist, in den Müll. Bevor neue Zeitungen zum Einsatz kommen, wird das Igelheim mit Seifenwasser gereinigt. Das Häuschen verkleiden wir mit Zeitungsknäueln und einem Tuch und nun kann sich die kleine Igelin wieder einnisten.

Es herrscht immer Betrieb

Maximal 50 Igel können in dem Haus, in welchem die Igelhilfe eingemietet ist, unterkommen. Jetzt in der Winterzeit sind es deutlich weniger, gemäss Nagl kommt ungefähr ein Igel pro Woche. Im April wird es dann wieder anziehen, Spitzenzeit ist aber im Oktober. Durchschnittlich bleiben die Igel 27 Tage auf der Station, was für ein Wildtier eine lange Zeit ist. Im vergangenen Jahr protokollierte der Verein 697 aufgenommene Igel und vier Würfe.

Die Freiwilligen sind ein eingespieltes Team

Die Teams der Igelhilfe sind in fünf Gruppen eingeteilt: das Medi-Team, das Putzteam, das Mikroskopierteam, das Futterteam und der Einkauf. Nagl sagt dazu: «Wenns läuft, läufts einfach. Jeder respektiert das Revier des anderen.» Das Klima untereinander sei super. Vom Medi-Team ist immer eine Person täglich vor Ort, da jeder Igel am Morgen gewogen wird und die notwendigen Medikamente verabreicht werden. Mehrere Personen vom Putzteam sind am Vormittag im Einsatz. Abends kommt das Futterteam. Die Igel haben den Luxus, zu wählen zwischen gekochten Pouletflügeli, Rührei, Hackfleisch, Mäusen, Grillen und Katzenfutter. Dem Mythos zum Trotz darf den Igeln keine Milch angeboten werden, da die Tiere absolut laktoseintolerant sind.

Das Ziel vor Augen: Igel auswildern

In den Winterschlaf dürfen die Igel erst, wenn alle Medikamente aus dem Körper raus sind. Grundsätzlich sollten die Igel nach Genesung zurück in den Ursprungsgarten kehren. Ist dies nicht möglich, starten die Helferinnen der Igelstation einen entsprechenden Facebook-Aufruf. Interessierte Personen können Fotos von ihrem Garten senden, welcher daraufhin auf seine Tauglichkeit abgecheckt werden. Zu den No-Gos zählen ein ungedeckter Pool in der Nachbarschaft oder die Hauptstrasse in unmittelbarer Nähe. Igel, die derzeit entlassen werden, kommen in den gesicherten Winterschlaf. Dies geschieht in einem vier Quadratmeter grossen Aussengehege, welches mit einem Häuschen und Futter ausgestattet wird. Aktuell hat die Igelhilfe 67 Tiere im gesicherten Winterschlaf untergebracht. Bis der Igel wieder in freier Wildbahn ist, übernimmt die Station die Verantwortung für das Tier. Regelmässige Rückfragen per Telefon bereichern den Tag der Medi-Team-Mitglieder. Ausschlaggebend ist, dass das Wildtier wieder frei in der Natur jagen und überleben kann. Alle Igel, die nicht mehr zurück in die Natur können – sei es wegen eines fehlenden Beins oder anderer Einschränkungen – müssen eingeschläfert werden.

Die vier Personen, die das Medi-­Team ausmachen, haben keinen medizinischen Hintergrund. Für ihre ehrenamtliche Arbeit besuchten sie entsprechende Kurse und Weiterbildungen. Damit sind sie befugt, Medikamente zu verabreichen, Infusionen unter die Haut der stacheligen Tiere zu spritzen oder diese, wenn nötig, einzuschläfern. Für Operationen gehen die Igel in die Kleintierpraxis, mit welcher die Igelhilfe einen Vertrag abgeschlossen hat. Die Station arbeitet in engem Kontakt mit der spezialisierten Tierärztin.

«Nicht tatenlos zusehen»

 

Igelfürsorge Doris Nagl wünscht sich, dass besser auf die Igel geachtet wird. «Man könnte mit so wenig so viel machen», sagt sie. Es ist ihr ein Anliegen, dass die Menschen in ihrem Garten hinschauen. Insekten, die die Hauptnahrungsquelle der Igel darstellen, überwintern im Garten. Man könnte Pflanzen später schneiden oder als Kompromiss das abgeschnittene Grüngut liegen lassen, damit die Insekten noch schlüpfen können. Auch bei der Gartenarbeit im Sommer solle man zuerst nach Igeln Ausschau halten, bevor man den gefährlichen Fadenmäher in Betrieb nimmt. Auch wegen Giftmitteln müssen viele Igel mit Lebensgefahr in die Station eingeliefert werden. Nicht ohne Grund ist der heimische Braunbrustigel auf der roten Liste gefährdeter Tierarten. Nichtsdestotrotz schaut Nagl positiv in die Zukunft. «Wir müssen einfach dranbleiben.» Der Verein schreibt Stiftungen an, macht alles ehrenamtlich. Weil Flyer viel kosten, betreibt die Igelhilfe keine Werbung. Geldgeber suche man aber immer. Letztes Jahr häuften sich enorm hohe Arztkosten und ein zweiter Inkubator musste her. Insgesamt ergaben sich Kosten von rund 100000 Franken aus Arztrechnungen, Materialkosten, Miete und Igelnahrung. Nagl ergänzt: «Ehrenamtliche Helfer sind immer willkommen.» Die freiwillige Arbeit gebe einem viel. Sie erzählt, dass sie eine emotionale Bindung zu einzelnen Tieren aufgebaut hat. Die grösste Herausforderung für sie sei, einen Igel nach einem langen Kampf erlösen zu müssen. Auch deshalb ist es ihr ein grosses Anliegen, dass gefundene Igel sofort in die Station gebracht werden. Probiere man selber, die Tiere aufzupäppeln, verliere die Igelhilfe wichtige Zeit, um das Tier zu retten. An jene, die den süssen Tieren einfach gerne zuschauen, richtet Nagl die Worte: «Wir geben sie noch so gerne gesund zur Auswilderung zurück.»

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