Ehemaliger Lenzburger Stadtoberförster steigt auch mit 96 noch aufs Velo

Lenzburg Er versorgt seinen Haushalt selbst, fährt Auto und E-Bike, ist voller Lebensfreude und kann auch mit 96 Jahren noch locker mit dem Computer umgehen: Der ehemalige Lenzburger Stadtoberförster Niklaus Lätt zeigt, dass man bis ins hohe Alter fit und mobil bleiben kann.

Fit wie ein Turnschuh: Bei gutem Wetter dreht Niklaus Lätt gern Runden mit seinem E-Bike.Foto: Romi Schmid

E-Bike fahren und am Computer surfen bis ins hohe Alter? Ganz selbstverständlich für den 96-jährigen Niklaus Lätt. Auf seinem E-Bike ist der Lenzburger fast täglich unterwegs, auch an diesem Samstag, wo sich Lenzburg zu Ehren des 50. Geburtstags des Esterliturms im Lenzburger Wald trifft.

Auszeichnung mit Lenzburger Goldtaler

Es gibt Geschichten, die sind schon von vornherein gut. So wie jene von Niklaus Lätt. Der 96-Jährige amtete von 1956 bis 1991 als Lenzburger Stadtoberförster. Mit Herzblut, Engagement und Fingerspitzengefühl waltete und verwaltete er über 35 Jahre den Lenzburger Forst, für seine Verdienste wurde er 1997 mit dem Lenzburger Goldtaler ausgezeichnet. «Schon mein Vater war Förster. Es war also immer klar, dass ich ebenfalls diesen Weg einschlagen würde», erinnert er sich.

Seine berufliche Karriere startete er als junger Mann an der ETH, wo er Forstingenieurswesen studierte. «Schon in der ersten Vorlesung wurde uns vom Professor geraten, sofort den Studiengang zu wechseln – der Beruf hatte damals einfach keine guten Aussichten», so Lätt. Doch er blieb, schloss im Frühling 1953 sein Examen ab und hatte Glück: Er erhielt eine Stelle als Gemeindeförster in Ammerswil – «ich erinnere mich, dass ich im Monat rund 100 Franken, Spesen inbegriffen, erhielt» –, später übernahm er vor seinem Vorgänger Walther Deck auch die Gemeinden Lenzburg, Niederlenz und Othmarsingen und wurde Lenzburger Stadtoberförster.

Genau wie sein Vorgänger, der über vier Jahrzehnte im Amt war, kam auch Niklaus Lätt, um zu bleiben. «Oberförster, das ist fast schon eine Lebensaufgabe, ein Beruf auf Lebzeiten», witzelt er. Und weil es damals Pflicht für einen Oberförster war, dort zu wohnen, wo man arbeitet, zog Lätt auf Amtsantritt mit seiner Frau nach Lenzburg, wo er noch heute wohnt.

Von der Handarbeit zur Motorsäge

Im hohen Alter noch voll am Leben teilnehmen, sich selbst versorgen und selbstbestimmt und unabhängig sein – das wünschen sich die meisten, wenn sie ans Alter denken. Fit und aktiv – das trifft auch für Niklaus Lätt voll ins Schwarze. Er steigt nicht nur täglich aufs Velo, macht Fitnessübungen, schmeisst den Haushalt und geht einkaufen, sondern kennt sich auch bestens mit Computer und Handy aus. An sein erfülltes, langes Leben, erinnert er sich gern und bis ins kleinste Detail.

Niklaus Lätt ist ein guter Erzähler, man hört ihm gern zu, wenn er reflektiert und fesselnd von «damals» spricht. Damals, Anfang der 50er-Jahre, als man im Lenzburger Wald noch ganz ohne Mechanik auskam. «Wir hatten nicht einmal eine Motorsäge, alles war Handarbeit», schmunzelt er. Um 1960 kamen sie dann, die ersten Motorsägen aus Amerika. «Das war schon toll», ein Lächeln huscht über sein Gesicht.

Im Laufe der Jahre habe sich die Arbeit im Wald verändert, nicht zuletzt aufgrund der Mechanisierung, erzählt er. Das zeigte sich auch in der Arbeitsbelastung: 1956 waren es noch rund 135 Arbeitsstunden pro Hektar Wald, 1991 nur noch knapp 20. «Die Arbeit ist nicht weniger geworden, aber sie hat sich verändert, heute ist sie weniger körper- und mehr kopflastig», resümiert Lätt, der immer noch gern und regelmässig im Lenzburger Wald unterwegs ist. Einen Lieblingsplatz, den hat er nicht, denn «jede Ecke, jeder Weg und jeder Wipfel ist schön», sagt er. Auch hier, beim Esterliturm, habe es ihm immer gut gefallen. Unzählige Male sei er auf den Turm gestiegen – heute schaffe er das nicht mehr. Damals, beim Bau des Esterliturms, war er massgeblich beteiligt gewesen. Auch die Panoramatafel, die noch heute die Aussichtsplattform mit vielen wissenswerten geografischen Informationen schmückt, geht auf seine Initiative und Ausmessungen zurück. «Unter Berücksichtigung der Erdkrümmung bin ich auch heute noch der Ansicht, dass alle Angaben korrekt sind», zwinkert er.

Auch im Militär machte er Karriere

Niklaus Lätt hat nicht nur im Wald, sondern auch im Schweizer Militär Spuren hinterlassen; er schaffte es bis zum Geniechef des Armeekorps. Das Engagement im Militär sei für ihn eine Selbstverständlichkeit gewesen. «Damals im Kalten Krieg wusste man nie, wann es los geht. Ich wollte da sein fürs Vaterland, wenn es so weit ist.»

Eine bewegte berufliche Karriere, die mit seiner Pensionierung 1991 – nach einem kurzen Zwischenjahr seines direkten Nachfolgers übernahm Frank Hämmerli das Amt als Lenzburger Stadtoberförster – noch lange kein Ende fand. Seine Rolle als Vizepräsident der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission behielt er nämlich weit über seine Pensionierung hinaus bei. «Ich war 1975 vom Bundesrat in diese Kommission gewählt worden und wollte mich auch nach meiner Pensionierung weiterhin für den Naturschutz einsetzen», erzählt er.

Dankbar und zufrieden

Heute blickt Nikläus Lätt zufrieden und dankbar auf sein bewegtes Leben zurück. «Ich habe einfach Glück gehabt», sagt er. Sein Lebensmotto ist simpel, aber wirksam: «Ich bin einfach immer dankbar.»

Mittlerweile hat eine frische Brise eingesetzt, viele Besucher, die an diesem Tag das Esterliturm-Jubiläum gefeiert haben, sind schon aufgebrochen. Auch Niklaus Lätt verabschiedet sich – es ist Zeit, nach Hause zu fahren. Er schwingt sich auf den Sattel seines E-Bikes und fährt durch den Wald davon – dieser Mann ist nicht zu stoppen. Niklaus Lätt ist vieles, aber vor allem eines: inspirierend.

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