Droht das grosse Vogelsterben?
Naturschutzorganisationen machen sich ernste Sorgen: Nicht nur die Lebensräume, auch die Insektenbestände nehmen drastisch ab. Mit ein Grund, warum sich auch einzelne Vogelarten wie Segler und Schwalben stark dezimieren. Lenzburg ist da keine Ausnahme.
Windschutzscheiben lügen nicht. Welchem Autofahrer ist nicht schon längst aufgefallen, dass seine Windschutzscheiben nach einer längeren Fahrt weit nicht mehr so stark verschmutzt sind wie früher.
Der Grund ist einfach: Die Zahl der Insekten nimmt drastisch ab. Der markante Rückgang der Insekten ist vermutlich auf eine ganze Reihe von Ursachen zurückzuführen, die noch weiter erforscht werden müssen. Zu den wichtigsten zählen die intensive Landwirtschaft mit Monokulturen und der Biozideinsatz. Aber auch der Verlust von Feuchtgebieten.
Die Schweiz gehört zu den Ländern mit einem besonders hohen Pestizideinsatz. Insekten bilden aber eine wichtige Nahrungsquelle für Vögel, Säugetiere, Amphibien oder Reptilien. So füttern beispielsweise die meisten Brutvogelarten ihre Jungen mit Insekten. Totalherbizide vernichten jedoch sämtliche Ackerbeikräuter und minimieren damit entscheidende Nahrungs-, Nist- und Überwinterungsquellen für Insekten. Der Eingriff in den Kreislauf der Natur zeigt entsprechend drastische Folgen.
Die Öffentlichkeit sensibilisieren
«Mauer- und Alpensegler sowie die Mehlschwalbe sind auch aufgrund der verschwindenden Nistgelegenheiten gefährdet», bemerken Monica Locher und Andrea Häfliger vom Natur- und Vogelschutzverein. Ihnen sind diese in Lenzburg immer noch sehr präsenten Arten besonders ans Herz gewachsen: «Sie gehören zum Stadtbild und dürfen nicht verschwinden.»
Während die Mauer- und Alpensegler die Fassaden nicht verschmutzen, fehlt in der Bevölkerung gegenüber Mehlschwalben sehr oft die Akzeptanz wegen der möglichen Gebäude-Verschmutzung. Hier setzen die Bemühungen des Natur-und Vogelschutzvereins ein, der sensibilisieren und für mehr Nistgelegenheiten der Gebäudebrüter sorgen möchte.
Wohnungsnot der Gebäudebrüter
Immer wieder werden Brutplätze an Gebäuden durch Renovationen gefährdet. Hauseigentümer sind gefordert, denn die oben erwähnten Arten unterstehen dem eidgenössischen Jagdschutzgesetz und sind geschützt. Entsprechend müssen bei Renovationen Brutplätze erhalten oder neue angeboten werden.
Die Gebäudebrüter leiden unter Wohnungsnot, obschon es in der Schweiz 1,8 Millionen Bauten gibt. An modernen Neubauten finden sich kaum neue Nistgelegenheiten. Eine Broschüre der Vogelwarte Sempach hilft, innovative Lösungen zu finden.
Bei knappen Nistmöglichkeiten bleibt es nicht. Es verschwinden immer mehr Grünräume, da Quartiere baulich verdichtet werden. Somit verschwinden auch Blühpflanzen, welche wiederum Insekten Nahrung bieten, die ihrerseits von den Flugkünstlern gefressen werden. Weiter bedeuten Glasfronten an Bauten Kollisionsgefahren, wegen der Lichtverschmutzung mangelt es vielerorts an Dunkelheit. Und da wären noch die streunenden Katzen zu erwähnen.
Verhaltenstipps
Im eigenen Garten sollte vollständig darauf verzichtet werden, Pestizide einzusetzen. Müssig zu erwähnen, dass die Gestaltung der Gärten möglichst vielfältig sein sollte. Die Stichworte heissen Blumenwiesen, Trockensteinmauern, Ast- und Laubhaufen und naturnahe Tümpel. Sommerflieder, die Kanadische Goldrute, der Kirschlorbeer, der Essigbaum können ersetzt werden durch Vogelbeere, Holunder, Pfaffenhütchen, Haselnuss, Wildrosen und Kornelkirsche.
Doch auch die Städte und Gemeinden stehen in der Verantwortung für die öffentlichen Grünflächen: keine Pestizide einsetzen, einheimische Pflanzenarten bevorzugen und ein insektenfreundliches Regime pflegen. Nur heimische Gewächse dienen als ideale Nahrungsquellen für Insekten, Vögel und viele Tiere.
Vorbilder in Lenzburg
In Lenzburg verdienen einzelne Bauherren Anerkennung, die sich um neue Mauersegler-Nistkästen bemühen oder bestehende ersetzen. Urs F. Meier darf diesbezüglich lobend erwähnt werden. Die Firma Kromer AG plant, beim Firmengebäude am Haldenweg die Fassade zu renovieren. Sie wird gleichzeitig den Nistkastenpark erneuern und erweitern.
Am Wohnhaus des Gutsbetriebs der Justizvollzugsanstalt (JVA) wurde die bestehende kleine Kolonie der Mehlschwalben mit neun Kunstnestern erweitert. Mit Erfolg, denn es konnten bereits zwei Brutpaare mehr beobachtet werden als im Vorjahr.
Monica Locher und Andrea Häfliger winden der Stadt Lenzburg ein Kränzchen. Mit der Sanierung des ehemaligen Bezirksschulhauses wurde die Gelegenheit wahrgenommen, 40 neue Mauerseglerkästen anzubringen. Auch heben sie die gute Zusammenarbeit mit den Lenzburger Behörden hervor.