Der Samichlaus ist wach
Jeder kann Geissel klöpfen – Frauen auch. LBA-Redaktorin und Chlöpf-Greenhorn Melanie Solloso macht an einer Ladies Night den Selbstversuch.

Frauen sieht man viel seltener mit einer Geissel in der Hand als Männer und an den Chlausklöpf-Trainings glänzen sie mit Abwesenheit. Dass es die Frauen trotzdem gerne mal klöpfen lassen, beweisen die Ladies Nights – die Chlöpf-Trainings nur für Frauen.
Fast 30 Frauen haben sich an einem kalten Mittwochabend im November in Hendschiken auf dem Schulhausplatz eingefunden. Unter der professionellen Anleitung von vier Ladies-Night-Klöpfinstruktorinnen kann man entweder seine Technik verbessern oder – sie wie ich – das erste Mal die Geissel schwingen. «Nach dem Ladies-Night-Trainingsabend kann jede Teilnehmerin klöpfen», verspricht Instruktorin Katrin Bolliger aus Lenzburg. Da bin ich ja gespannt. Die acht Anfängerinnen kommen in die Obhut von Instruktorin Brigitte Sommer aus Hendschiken. Sie hat sich das Klöpfen selbst beigebracht – heimlich. Anstoss dazu gab ihr Sohn, der befand, dass Frauen das «eh nicht können». Brigitte Sommer bewies das Gegenteil, lernte richtig gut klöpfen und war bis vor zwei Jahren Schiedsrichterin bei den Regionalfinalen.
Unsere Instruktorin weiss also, wie der Hase läuft – oder besser: die Geissel richtig geklöpft werden muss. Zuerst lernen wir die Basics: Das Trainingsgerät besteht aus Zwick, Geissel und Stecken. Aha! Dann wird gezeigt, wies gemacht wird: Eine flache Acht in die Luft zeichnen, die starke Hand auf Augenhöhe halten und – ganz wichtig – der Geissel nachschauen.
Hört sich einfach ein. Aber da kommt noch mehr: Kopf nicht einziehen, sonst besteht die Gefahr, dass die Kappe fliegen geht – so geschehen bei einer Greenhorn-Kameradin, – und Geissel nicht zu tief, aber auch nicht zu hoch halten.
Ha, geht doch! Oder doch nicht?
So jetzt aber: ausprobieren. Das kann ja nicht so schwer sein. Die Geissel liegt leicht in meiner Hand und ich beginne, eine Acht zu zeichnen. Ha, geht doch! Das Seil surrt durch die Luft. «Ganz elegant eigentlich», finde ich. Aber zu früh gefreut, schon wickelt sich die Geissel um meine Schultern und ich muss mich unbeholfen befreien. «Hach, fühle ich mich albern.» Peinlich berührt reiche ich das Teil erst einmal weiter und mische mich unter das Anfängertrüppchen. «Hoffentlich hats niemand gesehen.» Aber den anderen geht es nicht besser als mir. «Sieht einfacher aus, als es ist», sagt eine Anfängerkollegin und bläst sich für etwas Wärme in die Hände.
Brigitte Sommer sieht das Problem sofort: «Dein Stecken ist viel zu lang.» Idealerweise sollte der Stecken bis unter den Bauchnabel reichen und auch die Geissel sollte nicht zu lang sein. Denn je länger die Geissel, desto anspruchsvoller das Klöpfen. Also zweiter Versuch mit einer anderen Geissel. Die Acht klappt schon mal gut, nur – das allein reicht ja nicht. Ich bin hoch konzentriert: Hüften ausdrehen, Schwung nicht vergessen, Acht nicht nach unten zeichnen, sonst berührt das Seil den Boden und, oh ja, der Geissel unbedingt nachschauen – nicht Augen zumachen. Prompt folgt noch ein Input von Instruktorin Jacquelin: «Links mehr ausdrehen.»
Bei so vielen Regeln kommt man allzu leicht aus dem Konzept, das Seil verheddert sich um die Beine, dann fitzt der Zwick die Hand – zum Glück hab ich Handschuhe an – und am Schluss mach ich sogar mit der Acht ein Gnosch. Hei nomol! So wird der Samichlaus nie wach. Das gesäuselte Surren weckt höchstens einen Bienenschwarm aus dem Winterschlaf! Und potz sind meine Füsse kalt. Bewegung muss her, also noch einmal probieren. Jacqueline versichert mir, dass ich das toll mache, und gibt mir eine High Five. Ich bin skeptisch. Aber sie muss es ja wissen als Expertin. Aber wo bitte bleibt der Chlöpf beim Geisselklöpfen? Irgendetwas stimmt noch nicht.
«Acht nicht nach unten, sondern flach zeichnen, rechte Hand auf Augenhöhe und näher beim Körper», drillt Jacqueline. Atemwolken. Mein Herz pocht, die Oberarme schmerzen, ich komme ausser Puste. Wer hätte das gedacht: Geisselklöpfen ist ein Sport! Auf eine sportliche Übung habe ich mich eigentlich nicht eingestellt. Aber gut, ein bisschen Bewegung kann nicht schaden.
Technik ist wichtig; aber nicht alles
Plötzlich – für ein paar gefühlte Minuten – es waren wohl eher 10 Sekunden – habe ich einen Flow, die Geissel surrt mit Leichtigkeit durch die Luft, meine Drehungen sind langsam, ohne Hast und plötzlich knallts. Hey! War ich das?! Und noch mal. Tatsächlich! Ha, ich kanns! Na ja, zumindest ein ganz klein bisschen. Prompt kommt die Bestätigung von Instruktorin Brigitte. «Super, es hat geklöpft!»
Das spornt an und ich mach weiter. Doch schon wenig später ist meine Kraft verbraucht, es klöpft nicht mehr, ich mag das Ding nicht mehr recht ziehen. Warum habe ich bloss meine allmorgendlichen Liegestützen vor einem halben Jahr aufgegeben? Technik ist nicht alles. Kraft braucht es auch zum Klöpfen. Ich gebe die Geissel weiter. Für einen Wettkampf reicht es nicht, dafür müsste ich viel mehr üben. Aber die Instruktorin hat nicht zu viel versprochen: Wir Ladies wissen jetzt, wie man klöpft. – Der Samichlaus ist wach. (Melanie Solloso)