Der Poesiesommer geht los
Seetal Der Seetaler Poesiesommer erlebt seine 19. Auflage. Nach Veranstaltungen in Holland und Deutschland startet das Festival am Sonntag auf den Schlössern Hallwyl und Heidegg.

Das Festival «tales – der Seetaler Poesiesommer» ist viel mehr als eine Reihe von Lesungen. An verschiedensten Veranstaltungen wird das Erleben des poetischen Moments möglich.
Auch in der 19. Ausgabe regt das Festival der leisen Töne an, dass sich Kultur im lokalen und internationalen Austausch mitteile: als Versuch, die Sinne zu beflügeln und dem leicht Überhörbaren zu begegnen.
Nach dem Auftakt in den Niederlanden und in Deutschland startet das literarische Festival in der Schweiz am Sonntag, 8. Juli, auf Schloss Heidegg und Hallwyl. Eine Übersicht der regionalen Anlässe:
Sonntag, 8. Juli, 11 und 19 Uhr: Schloss Heidegg
«Der Frühling», «Sternschnuppen», «Der Regenmann», «Feuertanz», «Der Sommer»: Die vielfach begabte Berner Künstlerin Ruth Dürrenmatt – sie singt, komponiert, zeichnet, malt, stickt und schreibt – hat berührende Kompositionen geschrieben, die erstmals im Seetal aufgeführt werden. Sibylle Bähler spielt zusammen mit ihrer jungen Tochter Anna Saskia Bähler am Flügel das von der Komponistin für den Seetaler Poesiesommer eigens komponierte vierhändige Stück «Der Sommer» (Uraufführung, 19 Uhr).
Sonntag, 8. Juli, 16 Uhr: Schloss Hallwyl
«Und das Gedicht, das werden will / was die Musik schon ist / muss platzen, zerplatzen», schreibt der schwedische Schriftsteller Göran Tunström (1937 bis 2000) in «Unsere Insel – Unsere Zeit im Meer», einem Lyrikband, den Lukas Dettwiler (Bern) übersetzt hat. – «Träumend habe ich die Sprache der Natur gesprochen», heisst es im Gedicht «Traum von einem Lied» der Seetaler Nordistin Anna Hitz (Beinwil am See). Sie liest auch Passagen aus ihrem Roman «Der Schwindel».
Montag, 9. Juli, 11 Uhr: Beinwil am See, Antiquariat
Sie träumte, durch alle Kantone der Schweiz zu wandern – und machte sich unversehens auf: Sophie Michaud (Sion) schrieb über ihre sechs Monate dauernde Fussreise à travers la Suisse einen unvollendeten Roman. – Visionen auf vielen Kontinenten hat der Architekt und Städteplaner Walter R. Hunziker (Meilen) realisiert. Auch im hohen Alter denkt er über das Zusammenleben, über Verdichtung und Seeuferwege nach oder plädiert für ein globales Netzwerk kleiner Staaten zur Wahrung der kulturellen Identitäten. – Utopien für ein Leben nahe dem «grossen Sein» entwickelt die Künstlerin Ruth Dürrenmatt (Bern) in einem Bilderzyklus, der voller fantastischer Geschichen ist. – Ort: Buch- und Kunstantiquariat Dr. Walter Eichenberger, Aarauerstrasse 12; vis-à-vis Bahnhof.
Dienstag, 10. Juli, 15 Uhr: Schloss Heidegg, Rosengarten
«... und vor uns / sprachen die Blumen»: Reichen Worte nicht aus, lassen wir für gewöhnlich Blumen sprechen. Die Autorin Marianne Erne (Staufen/Baldegg) führt gar Interviews mit ihnen. Nach einem literarischen Rundgang durch den Garten von Heidegg steckt sie nach allen Regeln der floristischen Kunst eine Blumenschatulle. – Wie Begegnungen mit Menschen zu Texten und Geschichten werden, schildert aus der Perspektive einer Journalistin Graziella Jämsä (Schongau).
Freitag, 13. Juli, 16 Uhr: Beinwil am See
Die Engadiner Kindergärtnerin Selina Chönz (1910 bis 2000) schuf mit Alois Carigiet den Kinderbuchklassiker «Schellen-Ursli». Wenig bekannt ist ihre erste Erzählung «La chastlauna», herausgegeben von der Romanistin und Verlegerin Mevina Puorger (Zürich). Passagen daraus haben Alina Müller (Chur) und Katharina Gehrig (Menziken) für diese Lesung ins Deutsche übersetzt. – In vierzehnjähriger Arbeit hat der Livinentaler Walter Arnold (Helsinki) das finnische Nationalepos «Kalevala» in den Dialekt von Airolo übertragen. Eine kolossale Arbeit, die er im Gespräch mit Cornelia Masciadri (Aarau) kommentiert.
Samstag, 28. Juli, 16 Uhr: Hunzenschwil, Strebel-Masciadri
Der literarische Kosmos von Anna Felder (Aarau) – die Tessiner Schriftstellerin ist Trägerin des Schweizer Grand Prix Literatur und Ehrengast dieser Veranstaltung – trifft auf das musikalische Universum des Komponisten Stefano Ghisleri (Brescia). Dieser hat zu den Planeten Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter und Saturn nach mathematisch-musikalischen Gesetzmässigkeiten eine «Suite platonica» komponiert, die er selber am Flügel spielt. – Über Naheliegenderes hienieden schrieb der Aarauer Lyriker Virgilio Masciadri universale Gedichte. – Ort: c/o Strebel-Masciadri, Bahnhofstrasse 15; vis-à-vis Bahnhof.
Sonntag, 29. Juli, 14 bis 17 Uhr: Schloss Heidegg, Mundarttag
Ein Panorama der dialektalen Vielfalt der Schweiz. Moderation: Christian Schmid. – «…Si schliche durs Hüsli / Und packe di Müsli / Und ploge si grüsli / Wer gsechenes a?» Die Mundartdichterin Sophie Haemmerli-Marti, vor 150 Jahren in Othmarsingen geboren, charakterisierte die Eigenart der Katzen so trefflich, dass ihr Gedicht «Eusi zwöi Chätzli» zum Volksgut wurde. Mit Liedern erinnern die Sopranistin Monika Käch und der Pianist Peter Hitz an die unvergessene Dichterin, deren Texte noch heute ihr bezauberndes Geheimnis wahren. – «Vom Aarees öbers Vereere zum Zoorzirogeli»: Wortgeschichten zu halb und ganz Verklungenem aus dem Idiotikon erzählt der Sprachwissenschafter Hans-Peter Schifferle (Zürich). – «Ond am Moseggrondgang schnogget mer alli…»: Unveröffentlichte Lozärn-Gedichte des Schriftstellers Kuno Raeber (1922 bis 1992) stellen die Germanisten Walter Morgenthaler (Basel) und Thomas Binder (Zürich) vor. – Wie hängen aussterbende Handwerksberufe und die Mundart zusammen? Ein buchstäblich weites Feld. Der Innenarchitekt Philipp Kuntze (Bern) setzt sich für das Handwerk weltweit ein und dokumentiert en passant auch die damit einhergehende Sprache.
Mittwoch, 1. August, 14 Uhr: Schloss Hallwyl
Mit der «Verletzlichkeit der Information» spricht Cornelia Hesse-Honegger (Zürich) an der Gottfried-Honegger-Lesung Nummer 10 am Nationalfeiertag auf Schloss Hallwyl ein Thema an, das von hoher gesellschaftlicher Bedeutung ist.
Mittwoch, 8. August, 13 Uhr: Beinwil am See, Antiquariat
«…Pomeriggi di pioggia…Pomeriggi di pace.» Die Dichterin Silvana Lattmann (Zürich), 1918 in Neapel geboren, verbringt ihre Tage auch im 100. Lebensjahr noch schreibend und reisend. Aus ihren Gedicht- und Erzählbänden wurde bisher kaum ein Text auf Deutsch übersetzt. Markus Hediger (Zürich) stellt die vitale Dichterin und ihr Werk notabene in Übersetzung vor. – «…Deux points, ouvrez les guillemets»: Ebenfalls zu den wenig übersetzten Schweizer Autoren zählt Gilles F. Jobin aus Delémont. Zurzeit arbeitet er am Projekt «Lieux et autres endroits», veröffentlicht regelmässig eine microrevue A4 und ist wie schon letztes Jahr Gast des Seetaler Poesiesommers. – Ort: Buch- und Kunstantiquariat Dr. Walter Eichenberger, Aarauerstrasse 12; vis-à-vis Bahnhof.
Freitag, 10. August, 15 Uhr: Schloss Hallwyl
«Wenn ich ehrlich sein will, empfinde ich die Kunst (und nicht nur den Film) als bedeutungslos…»: Der schwedische Filmregisseur Ingmar Bergman äusserte 1965, als er in Amsterdam zusammen mit Charlie Chaplin den Erasmuspreis erhielt, Zweifel und Kritik an den Kunstsparten seiner Zeit. Sein Landsmann Leif Olsson (Götene) weist auf die Bedeutung Ingmar Bergmans hin, der vor 100 Jahren in Uppsala geboren wurde. Dessen Verdikt setzt er Werke von August Strindberg und Tomas Tranströmer entgegen.
Sonntag, 12. August, 16 Uhr: Beinwil am See, Hallwilersee
«Traunter ils spazis vöds dals inscunters / sglischast tü vers la scumparsa»: Auf dem Hallwilersee zum Abschluss ins Verschwinden gleiten – mit der Oberengadiner Lyrikerin Jessica Zuan (Barcelona), die im Ruderboot Gedichte liest.
«Das fehlt ja noch!»
Wird etwas im Programm vermisst? Möchte jemand selber etwas vorstellen oder einbringen? Eine Carte blanche, für das, was fehlt, erhält, wer sich mit einer Anregung für eine Lesung, eine kulturelle Präsentation oder dergleichen meldet. Der Anlass findet am 15. Oktober um 15 Uhr in Beinwil am See im Buch- und Kunstantiquariat Dr. Walter Eichenberger an der Aarauerstrasse 12, vis-à-vis Bahnhof, statt. – Anmeldungen sind an den Poesiesommer-Organisatoren Ulrich Suter an die Mail-Adresse ulrich.suter.kultur@bluewin.ch zu richten. (gjä/usu)