Das Aus für die Hornussergesellschaft

Lenzburg Kaum noch Mitglieder, mässig gute Stimmung im Verein und keine Aussicht auf Besserung. Die Hornusser ziehen den Schlussstrich und lösen ihren Verein per Ende Jahr auf. Ihr Material haben sie bereits verkauft.

<em>Vor 10 Jahren:</em> Die Lenzburger Hornusser am «Eidgenössischen» 2009. Foto: zvg

<em>Vor 10 Jahren:</em> Die Lenzburger Hornusser am «Eidgenössischen» 2009. Foto: zvg

Man hört Gottfried Kneuss die Enttäuschung mit jedem Wort an. Er, seit 18 Jahren Präsident der 1930 gegründeten Hornussergesellschaft Lenzburg, muss «seinen» Verein beerdigen. «Es tut mir weh. Aber es geht nicht anders», sagt der 63-Jährige. «Wir sahen keine Zukunft mehr.» Der Entscheid zur Vereinsauflösung fiel an einer ausserordentlichen Generalversammlung vergangenen Monat. Hauptgrund: der anhaltende Mitgliederschwund. «Am Schluss waren wir noch fünf Nasen», meint Kneuss kopfschüttelnd. Zum Vergleich: An der Generalversammlung 2015 zählte der Traditionsverein noch 26 Personen. Um eine Mannschaft im Hornussen stellen zu können, braucht man 16 Spieler. Kneuss: «Davon waren wir schon seit Jahren weit entfernt.»

Es sei nicht so, dass in der Region Lenzburg keine Hornusser lebten. «Aber immer wieder sprangen Mitglieder zu anderen Vereinen ab, beispielsweise nach Reinach oder zu Baden-Brugg», erklärt Kneuss. Laut Vereinshomepages zählt der Verein in Reinach aktuell 18 Aktiv- und 8 Nachwuchsathleten, jener in Baden 16 Aktive. Kneuss: «Würden alle, die hier in der Region wohnen, in Lenzburg spielen, brächten wir locker eine schlagfertige Mannschaft zusammen.»

Leihspieler waren keine Lösung

In der personellen Not taten sich die Lenzburger mit dem Team Schoren zusammen und bestritten so die vergangenen Jahre. Die Spielgemeinschaft lief allerdings Ende 2018 aus. Die Saison 2019 absolvierten die Lenzburger mit «Leihspielern» aus Rothrist, die mit einer so genannten B-Lizenz für Lenzburg randurften. «Das war auch keine Lösung auf Dauer», sagt Kneuss. Und so reifte der Entschluss, die HG Lenzburg Ende dieses Jahres zu Grabe zu tragen.

Die Geschichte der Lenzburger Hornusser begann – in Wohlen. Im dortigen Restaurant Flora, das übrigens erst kürzlich renoviert und wieder eröffnet worden ist, gründeten 15 Männer am 16. November 1930 die Hornussergesellschaft Wohlen. 18 Jahre später änderten die Mitglieder den Namen in HG Lenzburg-Wohlen. Erstmals in Lenzburg wurde 1953 gespielt, auf dem Breitfeld anlässlich des Ostschweizer Hornusserfests.

Zwei Tonnen Material entsorgt

Zurück in die Gegenwart. Bis die Hornussergesellschaft am 31. Dezember definitiv Geschichte ist, stehen noch verschiedene Arbeiten an. Hauptsächlich muss der Abschlagplatz rückgebaut und das Hüttli geräumt werden. «Wir sind schon weit mit den Arbeiten und haben bisher rund zwei Tonnen Altlasten entsorgt», sagt Kneuss.

Was noch gebraucht werden kann, wurde anlässlich eines Flohmarktes unter die Leute gebracht. So fand beispielsweise der neuwertige Bock der Lenzburger einen dankbaren Abnehmer in Form eines befreundeten Klubs.

Sollte nach Tilgung aller Rechnungen ein finanzieller Überschuss herausschauen, werde das Geld an den Verband einbezahlt. Dort bleibe es dann während zehn Jahren, so Kneuss, für den Fall einer Neugründung. Beanspruche das Geld bis Ende 2029 niemand, wandere es in eine gemeinnützige Institution. «Wir handeln da streng nach Statuten», betont Kneuss.

Bald im Museum?

Und was geschieht mit der Vereinsfahne aus dem Jahr 1955? Kneuss sagt, er stehe in Verhandlungen mit dem Museum Burghalde, dort gebe es allenfalls die Möglichkeit, die Geschichte der Hornussergesellschaft Lenzburg mittels einer Sammlung für die Bevölkerung erlebbar zu machen. Es wäre ein würdiger Abschluss einer der interessantesten Epochen Lenzburger Sportgeschichte.

Aus nach fast 90 Jahren – Ein Streifzug durch die Vereinsgeschichte

1930: Am Sonntag, 16. November, wird im Wohler Restaurant Flora die Hornussergesellschaft Wohlen-Lenzburg gegründet. Karl Schmutz präsidiert den Verein mit 15 Aktivmitgliedern.

1932: Aufnahme in den Eidgenössischen Hornusserverband. Auszug aus dem Protokollheft: «Die Mitglieder stimmen für eine Autofahrt nach Kirchberg, verbunden mit einem Wettspiel mit dieser Gesellschaft. Abfahrt um 8 Uhr beim Restaurant Sternen, sofern das Wetter günstig ist. Im absagenden Falle müsste der Aktuar den Mitgliedern telefonieren. Hans Wyss wird beauftragt, sich wegen einem Auto umzusehen. Die Mitglieder haben, wenn möglich, die Frauen mitzunehmen, damit das Auto besetzt wird.

1947: Nach den Kriegswirren wird der ordentliche Betrieb wieder aufgenommen: Bestand: 16 Mitglieder. Ein Jahr später wird der Spielplatz von Wohlen nach Hendschiken verlegt.

1952: Der Präsident fordert die anwesenden Mitglieder auf, die Diskussionen kurz zu halten, da die Frauen und Passivmitglieder um 16 Uhr auf einen Pfeffer eingeladen seien.

1955: Eine eigene Vereinsfahne wird angeschafft. Präsident des Fahnenkomitees ist Bäckermeister Max Berner. Eine definitive Lösung des Platzproblems ist noch nicht gefunden. So spielen die Lenzburger beim Neuhof auf dem Land des Bauern Kohler, später im Bergfeld, dann auf den Wylmatten, bis die Fussballer die Plätze beanspruchen.

1957: Ein Markstein in der Geschichte der HG Lenzburg. Der Verein tritt dem Oberaargauischen Zentralschweizerischen Hornusserverband bei. Gespielt wird im Lenzhard, bis eine Kiesgrube zum Abbau angelegt wird.

1983: Jetzt ist die hintere Wylmatte auf dem Land der Strafanstalt die neue sportliche Heimat.

1990: Die Gesellschaft besteht im Jubiläumsjahr aus 17 Mitgliedern und 12 Nachwuchsspielern. Sie beteiligt sich an der Schweizer Meisterschaft in der 3. Liga. An zahlreichen Festen dürfen sich Lenzburger regelmässig mit Einzelauszeichnungen ehren lassen.

2003: In Gossau erreichen die Lenzburger in der 4. Stärkeklasse den ersten Rang mit Horn. Ein Jahr später gelingt der Wiederaufstieg in die 3. Liga.

2007: Ein grosser Erfolg ist die Durchführung des Eidgenössischen Nachwuchs-Hornusserfestes mit über 1400 Nachwuchsspielern.

2015: Zu Beginn des Jahres beträgt der Personalbestand 26 Personen, im Herbst nur noch deren 10. Das Ende kommt mit grossen Schritten näher.

2017: Die öffentliche Einladung von Präsident Kneuss zu einem Probetraining bleibt ungehört.

2019: An der ausserordentlichen Generalversammlung vom 18. Oktober wird aufgrund von Mitgliedermangel die Auflösung des Traditionsvereins per 31. Dezember 2019 beschlossen.(rubu)

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