Baumwunder

Verborgene Kräfte: Victoria, eine altehrwürdige Eiche im Lütisbuech. Foto: Frank Haemmerli
Verborgene Kräfte: Victoria, eine altehrwürdige Eiche im Lütisbuech. Foto: Frank Haemmerli

Bäume faszinieren. Sie können mehrere Menschenleben alt werden, trotzen Naturgewalten und verbinden durch ihre Grösse die Erde mit dem Himmel.

Uns Menschen liefern Bäume seit Jahrtausenden Holz und Nahrung und schützen uns vor Naturgefahren. Nicht erstaunlich also, spielen sie in Mythen und Religionen auf der ganzen Welt eine wichtige Rolle. Dem Ideenreichtum sind dabei kaum Grenzen gesetzt: Unter Bäumen geschehen Erleuchtungen und Wunder, Götter nutzen Bäume als Wohnort und Menschen verwandeln sich in Bäume oder genau umgekehrt.

Bis ins 19. Jahrhundert pflegte man Kontakte zu alten, mächtigen Bäumen. Heilige wurden dort verehrt oder Krankheiten wie Gicht oder Zahnschmerzen am Baum abgestreift. Der passende Vers machte den Zauber jeweils möglich, zum Beispiel: «Eichenbaum, ich klage dir / Die Gicht die plaget mir / Ich wünsche, dass sie mir vergeht / Und in dir besteht.»

Heute sind Vorstellungen zur Magie und Kraft von Bäumen aus unserem Alltag fast verschwunden. Der Weihnachts- und der Maibaum sind letzte Zeugen des einst facettenreichen Brauchtums. Immerhin hat die enge Verbindung zwischen Baum und Mensch in unserer Sprache überdauert: Auch wir können verwurzelt, stämmig oder aus gutem Holz geschnitzt sein.

Übrigens: In den Lenzburger Wäldern gibt es sie noch, die Baumriesen mit verborgenen Kräften. Sie sind mit einem weissen Punkt markiert und dürfen so lange im Wald stehen bleiben, bis sie auf natürliche Weise sterben. Sie haben schon so einiges erlebt und lassen sich nicht so rasch aus der Ruhe bringen.

Und noch etwas sei in dieser Kolumne verraten: Mit solchen Baumriesen kann man sprechen. Das lässt sich ganz ohne Worte machen. Wie genau, muss aber jede und jeder für sich selbst herausfinden. Wer es versucht und sich darauf einlässt, erlebt die Magie der «Schatzkammer Wald». Der Geistliche und Seelsorger Phil Bosmans (1922–2012) meinte dazu passend: «Wer mit Bäumen sprechen kann, braucht keinen Psychiater. Nur meinen die meisten Menschen das Gegenteil.»

«Schatzkammer». Hier stellen Mitarbeitende des Museums Burghalde Lenzburg jeweils in der ersten Ausgabe des Monats spannende Geschichten und originelle Fundstücke vor.

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