«Auf dem Blumenfeld riskierst du Dreckschuhe, dafür erlebst du Abenteuer»

Slowflowers Auf dem Bioblumenfeld vom «Gmüeser» in Hallwil bieten eine Meisterfloristin und eine Blumenbäuerin passend zu den Jahreszeiten Slowflower-Workshops an. Doch was bedeutet «Slowflowers» und was sind die Hintergründe?

Claudia Alijew und Martina Räber hinter den Blumen. Foto: Adrienne Brehm

Claudia Alijew und Martina Räber hinter den Blumen. Foto: Adrienne Brehm

Eine kreative Runde: Claudia Alijew (links) leitet die Teilnehmenden beim Blumenbinden an.Foto: Adrienne Brehm

Eine kreative Runde: Claudia Alijew (links) leitet die Teilnehmenden beim Blumenbinden an.Foto: Adrienne Brehm

Eine typische Gefässfüllung mit einem Steckigel Kenzan und Hasengitter.Foto: Adrienne Brehm

Eine typische Gefässfüllung mit einem Steckigel Kenzan und Hasengitter.Foto: Adrienne Brehm

Schnittblumen aus der Region – frei von Pestiziden und Giften, das ist die Slowflower-Bewegung. Sie entstand ursprünglich in den USA. «Wir nehmen sehr bedingt Einfluss auf die Natur, giessen zurückhaltend und jäten von Hand, anstelle zu spritzen», erklärt Claudia Alijew, Floristin und Lehrgangsleiterin bei der Migros Klubschule. Das Gemüse, Wildobst und die Blumen des «Gmüeser»-Hofs in Hallwil von Martina Räber und ihrem Partner Thomas Urech sind Demeter- und Bio-zertifiziert. Der Einsatz von Pestiziden und Kunstdünger sei auf ihrem Biohof sowieso verboten.

«Wir pflanzen saisonal und entdecken darin die Schönheit»

«Einige Blumen setze ich jedes Jahr, zum Beispiel den Sonnenhut, die Zinnien, Kosmeen und Sommerastern.» Auf dem Blumenfeld würden fast ausschliesslich einjährige Blumen wachsen. Die meisten Sommerblumen seien nicht frosthart. Es gebe aber auch Pflanzen, die den Winter überlebt haben, darunter der gelbe Sonnenhut, sagt Räber. «Wir pflanzen nur das, was Saison hat, und entdecken darin die Schönheit», schwärmt Alijew. «Blumen zum selber Schneiden sind günstiger als im Laden. Während du die Blumen schneidest, riskierst du dreckige Hände und Schuhe – dafür erlebst du Abenteuer», meint Alijew und lacht. Die meisten Blumen blühen von Mitte Mai bis zum ersten Frost, meist bis Ende Oktober oder November. Die farbenprächtigsten Monate seien August und September. «Für einen schönen Blumenstrauss braucht es neben grossen Blüten aber auch etwas Beiwerk», sagt Räber. «Buntschopfsalbei, Kugeldisteln, Kerbel oder andere Doldenblütler eignen sich gut als Ergänzung im Blumenstrauss.»

Mit Dünger wären die Zinnien höher

Gedanken um Nachhaltigkeit im Blumenanbau mache man sich erst seit wenigen Jahren, sagt Floristin Alijew. «In den 80er- Jahren war es wichtig, welcher Dünger die beste Leistung bringt. Die Nachfrage nach Slowflowers wird erst seit einigen Jahren grösser. Zuerst war das Bewusstsein eher beim Essen, nun geht es auf das Luxusprodukt Blumen über. Beim Gedanken an Slowflowers geht es nicht um Ästhetik, sondern um eine Lebenshaltung.» Räber ergänzt: «Als ich 2017 mit dem Blumenfeld begann, gab es fast keine Bücher zum Thema Slowflowers. Nun spricht man auch in den Medien darüber. Wir sind beide Mitglied der Slowflower-Bewegung.» Mittlerweile als Verein in Deutschland, Österreich und der Schweiz organisiert, zähle die Slowflower-Bewegung in der Schweiz rund 40 Mitglieder. Sehr viele Mitglieder seien Quereinsteiger und würden mit einem kleinen Garten starten und sich dann weiterentwickeln. Die breite Floristikbranche fände den Zugang zum nachhaltigen Blumenanbau erst nach und nach, so Räber. «Das macht auch Sinn», fügt Alijew hinzu, «du nimmst etwas in Kauf, nämlich weniger Ertrag. Wenn Martina Räber dieses Feld düngen würde, wären die Zinnien höher.»

Wackeltests und Blumenworkshops

Seit letztem Jahr bieten Räber und Alijew im Kollektiv Blumenworkshops zu verschiedenen Jahreszeiten an. «Ich dachte immer, es wäre schön, die Menschen hierher auf das Feld zu holen», sagt Räber. «Claudia und ich ergänzen uns gut.» Die Kurse starten direkt auf dem Blumenfeld. «Das unterscheidet uns von anderen Kursen», sagt Räber. «Wir tauchen vor Ort in die Blumen ein. Zu Beginn erzähle ich etwas über den Blumenanbau, zum Beispiel wann der richtige Schnittzeitpunkt ist. Wenn du die Blumen zu früh schneidest, halten sie nicht lang. Ausserdem sollte man möglichst tief unten schneiden. Die Zinnien beispielsweise sollte man nicht zu früh nehmen, sonst machen sie schlapp. Mach den Wackeltest: Wenn sie oben noch zu fest wackeln, sollest du noch warten.» Danach binden die Teilnehmenden die geschnittenen Blumen zu individuellen Kreationen.

«Wie in einer anderen Welt»

An einem Workshop nehmen zirka zwölf Personen teil. «Ich bin immer beeindruckt, mit welchen Kunstwerken die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Workshop verlassen, und staune, wie viel Hingabe und Talent da ist. Viele der Blumenbegeisterten fühlen sich bei uns wie in einer anderen Welt», meint Alijew und Räber fügt an: «Es ist sehr spannend zu sehen, was mit meinen Blumen geschieht und wie viele unterschiedliche Variationen entstehen. Alle haben vor Ort das gleiche Material zur Verfügung.»

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