Altes Kunsthandwerk neu erleben

Premiere Das Museum Burghalde hat ein neues Ausstellungsformat geschaffen – «Lenzburg sammelt». Als Erstes zeigt es Arbeiten des Niederlenzer Buchbinders Peter Karlen.

Beutelbuch: Wird so gelesen – Ring nach unten.Foto: zvg

Beutelbuch: Wird so gelesen – Ring nach unten.Foto: zvg

Mit Leidenschaft und Herzblut: Der 86-jährige Niederlenzer Peter Karlen bei einer seiner Lieblingsbeschäftigungen – dem Kalligrafieren.Foto: zvg

Mit Leidenschaft und Herzblut: Der 86-jährige Niederlenzer Peter Karlen bei einer seiner Lieblingsbeschäftigungen – dem Kalligrafieren.Foto: zvg

Zwillingsband: Die Lektüre wurde mit einem neuen Einband versehen.Foto: zvg

Zwillingsband: Die Lektüre wurde mit einem neuen Einband versehen.Foto: zvg

Kunst des Schönschreibens: Weisheiten werden gerne in Kalligrafie verfasst.Foto: zvg

Kunst des Schönschreibens: Weisheiten werden gerne in Kalligrafie verfasst.Foto: zvg

Die Ausstellungseröffnung war gut besucht, was mich sehr gefreut hat», sagt der 86-jährige Peter Karlen. Er wurde von Urs F. Meier, Präsident des Stiftungsrates vom Museum Burghalde, persönlich angefragt, ob er seine Kalligrafien, Marmorpapiere und Bucheinbände im neuen Ausstellungsformat präsentieren wolle. «Der Auslöser für mein Einverständnis war eigentlich die Schliessung der Buchbinderei Kurt Urech an der Augustin-Keller-Strasse», betont Karlen. So wie die Kalligrafie im klassischen Sinn und das Marmorieren von Papier langsam aus dem Bewusstsein der Menschen verschwänden, komme das alte Handwerk des Buchbinders aus Kostengründen nur noch in der Restauration von historisch wertvollen Einbänden zur Anwendung. Bücher flicken sei viel zu teuer geworden. Er aber liebe seinen Beruf und deshalb sei es ihm wichtig, dieses Handwerk am Leben zu erhalten – unter anderem mit Ausstellungen.

Rückblick auf vielfältiges Schaffen

1980 hat der Buchbinderverband mit der Gewerkschaft Druck und Papier fusioniert, worauf sich der Vorstand mit Jean Pierre Spetzler entschied, das schwindende handwerkliche Fachwissen neu zu beleben. «Somit war ich aktiv beteiligt, das Buchbindehandwerk in Kursen weiterzugeben», sagt Karlen. Ab 1985 wurden an jährlich vier bis sechs Kurstagen, jeweils am Samstag, in der Buchbinderei-Werkstatt der Druckerei Kromer am Kronenplatz historische Einbandtechniken, aber auch moderne Gestaltungen vermittelt. Auch die Färbetechniken von bunten Überzugspapieren wurden weitergegeben. «Wir haben uns daran gemacht, die Verarbeitung von Pergament zu erlernen und dabei die harte Tierhaut unter unseren Händen gefügig zu machen», fügt der gelernte Buchbinder schmunzelnd an. Eine andere Technik musste für die Bearbeitung von Schaf- und Ziegenlederfellen angewendet werden. Das weiche, genarbte und viel dickere Material – im Vergleich zum Pergament – musste erst ausgeschärft werden. Der heikle Arbeitsgang mit dem rasierklingenscharfen Messer erforderte Können und Routine. «Eine falsche Fingerbewegung und das gewählte Lederstück war unbrauchbar.»»

UNESCO-Weltkulturerbe

Weitere fast vergessene Techniken wie Kleister- und Spachtelpapier, Tunk-Marmor oder Monotypie kamen ebenfalls als Kursprogramme zum Zug. Diese Buntpapiere wurden in der Regel als Überzugsmaterial für die gebundenen Bücher und als Kartonage-Objekte verwendet. «Nach vielen Jahren der erbaulichen Freizeitbeschäftigung haben wir unsere Kurstätigkeit aufgeben müssen, unser ‹Professor› Jean Pierre musste sich noch vor Corona krankheitshalber zurückziehen.»

Nicht von ungefähr gehört die «kunsthandwerkliche Buchbinderei» seit 2021 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Damit sollen die traditionelle Handwerkskunst und das kulturelle Erbe des Buchbindens geschützt und gefördert werden. Die Buchbinderei ist ein wichtiger Bestandteil der Geschichte des gedruckten Wortes und spielt eine bedeutende Rolle bei der Erhaltung von historischen Dokumenten und Büchern. «Dass die Buchbinderei zum UNESCO-Welterbe gehört, ist aus gutem Grund berechtigt», betont Karlen und fügt an: «Mein Lehrmeister hat es so formuliert: Gott gebe, dass es klebe und viele Jahre hebe!» In der Ausstellung, die mit ihren Exponaten überzeugt, wird auch eine Fotoshow in Endlosschlaufe gezeigt. Zugänglich ist sie noch bis August.

Aussteller gesucht für 2025 für das Format «Lenzburg sammelt»

 

Neues Format Die erste Präsentation in diesem neuen Ausstellungsformat – mit dem Premieren-Gastaussteller Peter Karlen – steht und kann bis August besichtigt werden. Ab Januar 2025 soll dann die Plattform für drei bis sechs Monate für eine nächste Person zur Verfügung stehen. Gesucht sind umfangreiche Sammlungen, die einen Bezug zu Lenzburg oder der Region haben. Das können Medaillensammlungen, Wettkampfabzeichen, Heiligenfiguren, exotische Objekte, historische Sportartikel, altes Handwerk sein. Inhaltlich besteht grosse Freiheit, die Objekte müssen jedoch ethisch vertretbar sein und vom Format her zu den räumlichen Verhältnissen passen. «Das Museum Burghalde übernimmt die Plakatierung, die Herstellung der Flyer und eine kleine Vernissage. Alles andere ist Sache der Ausstellenden», sagt Museumsleiter Marc Philip Seidel. «Die Objekte müssen ausstellungsfertig und präsentabel angeliefert werden», ergänzt Seidel. Die Ausstellung und die Dokumentation werden in enger Zusammenarbeit mit dem Museum kuratiert. Wer mitmachen möchte, schickt ein Mail ans Museum Burghalde. Wichtig zu wissen: Bei diesem Format handelt es sich weder um eine Kunstgalerie noch um ein Verkaufsfenster.

Interessiert? Dossier mit Kurzbeschrieb der Sammlung, Fotos und Infos über die eigene Person an: museum.burghalde@lenzburg.ch. Dateien ab 5 MB per www.swisstransfer.ch.

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