Zeit im Soll und Haben

Wir zählen, planen, teilen sie, lassen sie auch gerne einmal verstreichen oder schlagen sie einfach tot. Im nächsten Moment verfliegt sie und geht schon wieder verloren. Im Kalender versucht der Mensch seit jeher, die Zeit zu fassen zu kriegen. Es ist der Versuch, etwas zu fixieren, das eigentlich fliesst.
Alles begann mit einem Blick zum Himmel. Die ersten Kalender waren aus Sternen, Schatten und Stein. Doch der Begriff «Calendarium» taucht erst Tausende Jahre nach Stonehenge auf und bezeichnet interessanterweise ein «Schuldbuch». Darin wurde vermerkt, wann eine Zahlung fällig war – nämlich am ersten Tag des Monats, den die Römer «Kalenden» nannten. Der Kalender als Schuldbuch. So fühlt es sich tatsächlich bisweilen noch heute an. Der Kalender ist Antrieb, strukturiert die Tage, erinnert zuverlässig an Verpflichtungen, Verbindlichkeiten und Deadlines. Zum Glück erinnert der Kalender nicht nur an die Schulden, sondern auch an die Gewinne. An Erlebnisse, Begegnungen, Möglichkeiten.
Selbst schätze ich ja die Vorzüge des Papierkalenders, weil zeitlos schön, multifunktional und frei von Ladekabel, Updates und Datenklau. Dafür mit Freifläche zum Malen, für Kritzeleien und spontane Ideen. Der digitale Organizer hingegen bietet eine Option, die ich insgeheim faszinierend finde: Mit nur einem Klick kann man eine ganze Woche zum Verschwinden bringen. Neustart am nächsten Montag. Aha, so also geht flexible Zeiteinteilung. Aber neu ist das nun auch nicht: Der Kalender war noch nie eine fixe Sache und wurde im Lauf der Geschichte mehrfach angepasst. Bestes Beispiel ist der Monat Februar. Er war einst der letzte im Jahr und bekam nur noch die Reste ab. Julius Cäsar spendierte ihm dann immerhin alle vier Jahre einen zusätzlichen Tag. Ein guter Zeitmanager weiss eben, wie Soll und Haben auszugleichen sind – nämlich mit einem Bonus.
Christine von Arx,
Historikerin