Salzkorn: Gedankenreisen
Ein Generationenwechsel war angesagt über die Festtage. Neben dem Cheminéeaufbau wurde ein jahrelang nicht beachtetes Couvert entdeckt. Der Familienrat entschied, das darin gefundene Geld – ein vergessenes Geschenk der inzwischen längst verstorbenen Mutter – in einen neuen Fernsehapparat zu investieren. In ein neues Modell, technisch auf dem heutigen Stand. Auf dem alten Gerät hatten die Farben nicht mehr gestimmt und die Einblendungen bei Sportübertragungen waren kaum mehr zu entziffern.
Die Tage zwischen den Jahren boten beste Gelegenheit, ins neue Fernsehzeitalter einzutauchen. Festtagskonzerte, Skirennen, Dartswettkämpfe, alte «Schinken» – neu alles gestochen scharf und mit adäquatem Ton. Die Auswahl ist riesengross. Die Nummern der Sender des Kabelnetzanbieters reichen von 1 bis 999, was bei einigen Lücken und vielen Anbietern mit einem indiskutablen Angebot immer noch die Wahl aus mehreren Dutzend Stationen ergibt.
Nun, mit dem neuen Fernsehgerät, vervielfacht sich die Auswahl noch. Unter der neuen Fernbedienung – minimalistisch nur mit 13 Tasten ausgestattet – verstecken sich nicht nur direkte Zugänge zu etlichen Streamingdiensten (mit noch mehr Schrott), sondern auch zu weiteren Sendern, deren Namen ich bisher nie gehört hatte und die auch nirgends in irgendwelchen Programmzeitschriften erwähnt sind. Mit vierstelligen Sendernummern.
Neugierig wird da durchgezappt. Und bei Reise- und Kochsendern etwas länger verharrt. In handwerklich gut gemachten Sendungen kann man sich da in tibetische Hochebenen oder in die Streetfoodszene Istanbuls treiben lassen. Gedankenreisen sind gerade im trüben mitteleuropäischen Winter eine schöne Abwechslung.
Doch oh weh. Die Schleifen der Beiträge wiederholen sich in kurzer Kadenz. Die Sehenswürdigkeiten von Innsbruck kenne ich inzwischen auswendig – es wird Zeit, endlich wieder echt auf Entdeckungsreisen gehen zu können.