Ewig

Der Hauptzweck des dreitägigen Ausflugs in die «ewige Stadt» Rom war ein kultureller. Den Opernfreund lockte eine Aufführung nahe dem Originalschauplatz. Im 1880 eingeweihten «Teatro dell’Opera di Roma» wurde 125 Jahre nach der Uraufführung die damalige Inszenierung von Giacomo Puccinis Oper «Tosca» rekonstruiert: gleiches Bühnenbild, gleiche Kostüme wie im Jahr 1900.
Aber natürlich andere Darsteller. Mit ein Grund für meinen Abstecher in die italienische Hauptstadt war die russisch-österreichische Sängerin Anna Netrebko in der Titelrolle. Ich liebe ihre Stimme; mehr als ihr Verhalten nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Die Chance, einmal meine Lieblingsdiva live zu erleben, wog mehr als allfällige Boykotterwägungen.
Die gut 2000 Zuschauer und ich wurden nicht enttäuscht. Zwar staunte ich, als die Opern-Tifosi ihrer Anna schon Szenenapplaus spendeten, als sie nur die Bühne betrat und noch keinen Ton gesungen hatte. Doch die Vorschusslorbeeren waren berechtigt. Netrebko brillierte; nach ihrer Arie «Vissi d’arte» tobte das Publikum minutenlang.
Es kam, wie es kommen musste; es wird viel gestorben in Puccinis Meisterwerk. Sängerin Floria Tosca ersticht Polizeichef Baron Scarpia, als der ihren Liebhaber, den Maler Mario Cavaradossi, hinrichten lässt. Als Tosca verhaftet werden soll, stürzt sie sich von den Zinnen der Engelsburg. Doch in Rom ist der Tod nicht ewig; Anna Netrebko «stirbt» in jeder Vorstellung.
Mein Kontrapunkt zu den alten römischen Gemäuern ist das MAXXI, das «Museo nationale delle arti del XXI secolo». Das Museum der Künste des 21. Jahrhunderts ist ein Komplex meiner Lieblingsarchitektin Zaha Hadid. Der ineinander verschachtelte Monumentalbau ist in 2000 Jahren vielleicht das Gleiche wie heute das Kolosseum. Architektur für die Ewigkeit. Und ewig ist schon verdammt lang.
Fritz Thut,
ehemaliger Redaktionsleiter