«Wir als musikalische Brückenbauer wollen Schubladisierungen aufbrechen»
Lenzburg Das Musikfestival Lenzburgiade findet dieses Jahr vom 19. bis 26. Juni wieder ohne Einschränkungen statt. Das Intendantenpaar Fränzi Frick und Oliver Schnyder «freut sich riesig», geht im Interview aber auch auf spezielle Herausforderungen ein.
Weil die Lenzburgiade 2020 wegen Corona ganz ausgefallen ist, stehen wir vor der 13. Ausgabe. Wie sind Ihre Gefühle?
Oliver Schnyder: Auf dem Weg «back to normal» sind wir hungrig und spüren dies auch bei den Künstlern. Wir müssen uns allerdings sehr anstrengen, das Publikum wieder an die Konzerte zu bringen.
Fränzi Frick: Es ist nicht einfach, die Leute abzuholen. Dies gilt generell, nicht nur nach Corona. Die Pandemie hat dazu geführt, dass man sich noch später oder sogar ganz spontan entscheidet, ein Konzert zu besuchen. Mit unseren gedeckten Bühnen haben wir und die Zuhörer mehr Planungssicherheit. Wir müssen nicht mehr bis 13 Uhr entscheiden, ob und wo wir spielen; die Konzerte finden statt.
Gibt es im Programm dieses Jahres noch «Restposten» von Künstlern, die während Corona nicht auftreten konnten?
Schnyder: Da sind beispielsweise die Schotten der Gruppe Ímar, die im letzten Jahr im letzten Moment absagen mussten. Wir freuen uns wahnsinnig auf sie. Sie bestreiten am Mittwoch gleich zwei Konzerte auf dem Metzgplatz.
Ein eigentliches Motto wie «Vive l’Argovie» bei Ihrer ersten Intendanz 2019 gibt es diesmal nicht?
Frick: Damals war es ein eigentliches Bekenntnis zum Aargau. Wir wollen weiter ein Festival für Lenzburg sein.
Schnyder: Wir haben ein ausserordentlich reiches Musikleben im Aargau und uns ist wichtig, dass wir dies in unserem Programm abbilden.
Frick: Wir wollen das Beste von hier mit dem besten Internationalen vermischen. Dabei achten wir darauf, dass wir alle Generationen von Besuchern abholen.
Im Untertitel der Lenzburgiade heisst es «Klassik und Folk International». Ist dies eine natürliche Verbindung, hinter der Sie voll stehen?
Schnyder: Wir wollen den Folk-Gedanken noch weitertreiben. Alle unsere Musik hat ihre Wurzeln in der Volksmusik.
Frick: Wir betrachten uns als musikalische Brückenbauer und wollen so Schubladisierungen aufbrechen. Unser roter Faden ist die Qualität. Wir kaufen kein Programm fixfertig ein, sondern kreieren Kombinationen speziell für Lenzburg.Schnyder: Ich finde es immer schön, wenn sich Musiker auf die Äste hinauslassen und Neues wagen.
Frick: Ich hoffe, dass die Leute Vertrauen in unser «Gspüri» haben.
Wie bewähren sich die beiden Spielorte Schlosshof und Metzgplatz?
Frick: Das Schloss und das Städtli sind mit ihrer Ambiance wichtige Mitspieler für uns. Es führt zwar dazu, dass die Logistik eine grosse Rolle spielt. Wichtig für uns ist, dass wir alle Lenzburger ansprechen können.
Lenzburg hat für Sie eine spezielle Bedeutung?
Schnyder: Früher, während meiner Jugend in Möriken-Wildegg, war Lenzburg die grosse Stadt in der Nachbarschaft. Das Jugendfest war ein Fixpunkt im Jahreskalender. Und es ist auch jetzt, wo wir in der Region Baden wohnen, ein Nostalgieort geblieben. Deshalb haben wir mit der Zusage auch keine Sekunde gezögert, als wir für die Lenzburgiade-Intendanz angefragt wurden. Wir haben hier viel Wertschätzung genossen.
Frick: Uns haben der Kanton und die Region viel gegeben. Mit dem Festival wollen wir nun etwas zurückgeben. Es wäre schön, wenn wir mit unseren Programmen einen Platz in den Herzen der Lenzburger erobern.
13 Veranstaltungen an 7 Tagen: Das Programm der Lenzburgiade 2022
Sonntag, 19. Juni
16 Uhr, Treffpunkt bei der Stadtkirche: Lenzburgiade-Zapfenstreich. Der Konzertspaziergang mit einer «Mini-Lenzburgiade» im gemütlichen Schnelldurchlauf. Mit Idemo! (Balkan-Folk), Lia Pale (Gesang) und den Lenzburgiade-Strings.
Dienstag, 21. Juni
19.30 Uhr, Schloss: Eröffnungskonzert, Maurice Steger trifft auf das Zürcher Kammerorchester. Der Schweizer Starblockflötist eröffnet die Lenzburgiade. Werke von Bach, Vivaldi und Mozart sowie orchestrale Bearbeitungen von Tanz- und Volksmusik aus England, dem Tessin und dem Engadin.
19.30 Uhr, Metzgplatz: Servus aber hallo. Die Renaissance des Songs mit Mezzosopranistin und Opernsängerin Silke Gäng, Daniele Caminiti an der Theorbe und der Band Tomazobi. Die vier Berner Trash-Troubadoure persiflieren in köstlicher Art und Weise jedes erdenkliche Liedgut. Frech, lustig, wild und unwiderstehlich sind ihre Auftritte.
Mittwoch, 22. Juni
18 Uhr und 20.30 Uhr, Metzgplatz: Macht die Schotten dicht: Pure Spielfreude, rasende Tempi und halsbrecherische Synchronität: das ist Ímar. Celtic Folk vom Feinsten: Fünf junge Wilde aus Glasgow inszenieren mit einem Tanzpaar einen rauschenden Abend.
Donnerstag, 23. Juni
19.30 Uhr, Schloss: Das Duo Calva bläst dem argovia philharmonic den Marsch. Mit den Lenzburger Gepflogenheiten und Traditionen ist nicht zu spassen. Auch wenn das Duo Calva bloss eine Dynamik kennt – cellissimo –, verspricht dieser Abend blaue Wunder.
19.30 Uhr, Metzgplatz: «Gläuffig», die Boygroup des Schweizer Folk trifft die Girlgroup «Eiger Mönch und Urschwyz». Das Spiel im Grenzbereich zwischen Volksmusiktradition und Innovation ist das Markenzeichen der beiden Formationen.
Freitag, 24. Juni
19.30 Uhr, Schloss: Lia Pale – das Show- und Stimmwunder aus Wien, sowie Oliver Schnyder und Lise de la Salle vierhändig am Klavier. Brahms und Schubert einmal so und dann anders.
19.30 Uhr, Metzgplatz: Last Tango in Lenzburg. Gabriela Bergallo und das Meisterquartett De Raíz Argentina. Tango- und Folk-Meisterwerke.
Samstag, 25. Juni
10.45 Uhr, Schloss: Matinée-Familienkonzert. Der Fluch der Fledermäuse – ein aberwitziger musiktheatralischer Krimi.
19.30 Uhr, Schloss: Lenzburgiade-Young-Artists 2022 – Die Stars von morgen. Jeneba Kanneh-Mason (Klavier) mit Werken von Bach, Mozart, Mendelssohn, Scriabin, Liszt. Vision String Quartet mit Werken von Bloch und Bartók sowie Folk-, Rock- und Funknummern.
19.30 Uhr, Metzgplatz: Mystischer Mittsommer mit dem Quadriga Consort. Barocker Folk zur Sommersonnenwende mit der österreichischen Band.
Sonntag, 26. Juni
19.30 Uhr, Schloss: Gassenhauer auf der Reeperbahn. Der Opern-Startenor Daniel Behle, das Oliver-Schnyder-Trio und German Horn Sound. Mit einem irrlichternden Programm um Musik von Beethoven, Mahler, den Beatles, Udo Jürgens, Schumann sowie Shanties und Seemannslieder. Schunkeln erwünscht.
19.30 Uhr, Metzgplatz: Hurtigrute einfach! Nordische Weisen mit der preisgekrönten Geigerin Ragnhild Hemsing und Akkordeonist Bjarke Mogensen. Werke von Grieg, Vaughan Williams, Sibelius, Halvorson, Kvandal, Svendsen sowie norwegischer und dänischer Folk.
Internet: www.lenzburgiade.ch.