Valentina kam mit ihrem Sohn via Polen, Berlin und Zürich nach Lenzburg
Flüchtlinge Der Beitrag von Bauamtsmitarbeiter Mike Hunziker über seine Begegnung mit einer Flüchtlingsfrau vor vier Wochen hat eine Reaktion ausgelöst. Die Frau heisst Valentina.
Dieser Text hat einen Bezug zum Beitrag von Mike Hunziker vom Bauamt Lenzburg in der Ausgabe vom 11. August betreffend seine Begegnung mit der kleinen alten Frau, welche er in der Nähe der Stadtbibliothek Lenzburg beim Brunnen getroffen hat, als er in der Nähe gearbeitet hat.
Flucht mit wenigen Habseligkeiten
Die Frau hat eine schicksalhafte und tragische Geschichte, welche sie zusammen mit ihrem Sohn vor etwa einem halben Jahr von der Ukraine in die Schweiz brachte. Valentina, Jahrgang 1941, und ihr Sohn Mykola, Jahrgang 1975, gerieten in ihrem Heimatort in der Ukraine unmittelbar in Lebensgefahr, als sie sich von einem Tag auf den anderen mitten in den Kampfhandlungen der Russen wiederfanden.
In akuter Lebensgefahr konnten sie nur noch hastig ein paar Habseligkeiten in Plastiktüten und eine Tasche zusammenraffen und fliehen, bevor ihr persönliches Hab und Gut durch Bomben und Feuer der Russen vollkommen zerstört wurde. Bekleidet nur mit dem, was sie am Körper trugen, und Hauspantoffeln sind sie aus dem Konfliktgebiet geflohen.
In Polen wurden Valentina und Mykola rund einen Monat lang von einem Hilfswerk zum anderen quer durch Polen weitergereicht, bis nach Berlin, wo man sie zusammen mit anderen Flüchtlingen in einen Zug nach Zürich setzte. Nach rund sechs Wochen in einer Flüchtlingsunterkunft in Zürich erhielten Mutter und Sohn die Aufenthaltsbewilligung (Status S) und wurden dem Kanton Aargau und der Stadt Lenzburg zugewiesen, wo sie seither im ehemaligen Hotel Lenzburg einquartiert sind.
Taubheit nach Knalltrauma
Die Zerstörung ihres persönlichen Hab und Guts in der Heimat, Bombeneinschläge und Kampfhandlungen mit Tod und Verwüstung unmittelbar um Mutter und Sohn herum, verbunden mit den traumatischen Erlebnissen während der Flucht an die polnische Grenze, haben den beiden ohnehin schon gesundheitlich Angeschlagenen sehr zugesetzt.
Bombeneinschläge direkt um sie herum haben bei Valentina ein Knalltrauma mit Gehörverlust und schwerwiegende Herzprobleme verursacht. Seit diesem Zeitpunkt ist sie taub. Leider verhindern bürokratische Hürden seit deren Ankunft in der Schweiz im März 2022 bis heute, dass Valentina und ihr Sohn eine Hörhilfe sowie angemessene medizinische Versorgung für ihre weiteren chronischen Erkrankungen erhalten, weil diese nur im Kanton Zürich verfügbar sind.
In Lenzburg gut eingelebt
Trotz ihrem Schicksal haben sich Valentina und ihr Sohn in Lenzburg gut eingelebt und speziell Valentina hat etwas Abstand und Ruhe gewonnen. Sie liebt es, fast jeden Tag auf Entdeckungsreise durch Lenzburg zu gehen, die sauberen Gassen und Strassen, Pärke und Bepflanzung zu inspizieren und Menschen zu beobachten.
Trotz Sprachbarrieren finden sich immer wieder interessante Begegnungen mit Einheimischen und Passanten.
Kantonswechsel beantragt
Beim Staatssekretariat für Migration in Bern wurde ein Kantonswechsel in den Kanton Zürich beantragt, weil dort die medizinische Betreuung besser gewährleistet ist. Leider ist das Staatssekretariat für Migration wegen der grossen Anzahl von Anträgen vollkommen überlastet. Es kann bis zu drei Monate dauern, bis ein Antrag zum Kantonswechsel gutgeheissen wird.
* Duri Candrian ist Schweizer, arbeitet als Russisch-Deutsch-Übersetzer. Als Betreuer für ukrainische Flüchtlinge hat er Valentina mit ihrem Sohn seit der Ankunft im Bundesasylzentrum Zürich im März 2022 begleitet.