Schon von Kindsbeinen an waren Adventskalender ihre grosse Leidenschaft
Lenzburg Evelyne Gasser sammelt seit rund 40 Jahren alte Adventskalender. Ihre Sammlerstücke konnten bereits an vielen Ausstellungen bewundert werden. Aktuell sind einige Exemplare im Landesmuseum Zürich ausgestellt.
Ein Adventskalender als Vorbote von Weihnachten gehört für Kinder einfach dazu. Das war bei der 82-jährigen Evelyne Gasser, die in einer Fabrikantenfamilie aufgewachsen ist, nicht anders. Anders hingegen ist die Bedeutung. Früher symbolisierte das Öffnen der Türchen das Verstreichen der Zeit und das Herannahen von Weihnachten. Heute steht der Inhalt – etwa Schokolade oder Spielsachen – im Mittelpunkt. Ein weiterer grosser Unterschied zu früher: Damals waren die Adventskalender Kostbarkeiten, die, wenn immer möglich, über mehrere Jahre genutzt wurden. Und leisten konnten sie sich nur gut Betuchte.
«Meine zwei Schwestern und ich bekamen solche Kalender, was wohl den Grundstein für meine Sammelleidenschaft legte.» Noch heute leuchten Evelyne Gassers Augen, wenn sie den einen oder anderen Kalender aus ihrer umfangreichen Sammlung hervorholt und ihn liebevoll aus der Schutzhülle zieht, um seine Geschichte zu erzählen.
Ursprung wohl in Deutschland
Der erste Adventskalender, mit Versen und Bildchen zum Aufkleben, brachte der Münchner Verleger Gerhard Lang zusammen mit dem Grafiker Richard Kepler 1920 auf den Markt. Vorher, um 1902, gab es jedoch bereits Uhren, deren Messingzeiger jeden Tag eine Markierung weitergeschoben wurden. Die Idee, solche Adventskalender herzustellen, reifte in Gerhard Lang wohl als Kind. Denn seine Mutter kreierte damals, im Wissen um ihr kleines Schleckmaul, einen Karton, auf dem sie 24 kleine Kekse aufnähte. In den 1920er-Jahren kamen dann die Adventskalender mit Türchen und dahinterliegenden Bildchen auf. Damals wurde Wert darauf gelegt, dass die Türe an einem passenden Ort platziert wird – ohne etwa einer Figur den Kopf abzuschneiden. Heute ist das unwichtig. Auch Dora Baum war in den 1920er-Jahren bekannt für ihre aufwendig verarbeiteten, dreilagigen Schiebekalender. Auf der Rückseite dieser Kalender waren 24 kleine Schieber befestigt, die man am Tag X vorsichtig zur Mitte hin bewegen konnte. Und schon tauchte ein Engelchen unter der Wolke oder hinter einem Baum auf. Am 24. Dezember hatte natürlich das Weihnachtskind seinen strahlenden Auftritt.
In unseren Gefilden dürften die ersten Adventskalender wohl in den 1940er-Jahren Einzug gehalten haben. «Väter, die in Deutschland einer Arbeit nachgingen, brachten diese Kostbarkeiten ihren Kindern mit», sagt die Sammlerin. Häufige Symbole waren Samichläuse, Tiere, Rehe, spielende Kinder, Märchenfiguren oder Engel. «Während des 2. Weltkriegs musste für die Adventskalender vor dem Druck eine Bewilligung eingeholt werden. Exemplare, auf denen Engel abgebildet waren, wurden verboten, sie mussten durch Kinder ersetzt werden», sagt Gasser. Sie hat zwei solcher Vorher-Nachher-Kalender in ihrem Besitz.
In ihrem Besitz finden sich auch ungebrauchte Adventskalender. «Leidenschaftliche Sammler, wie ich eine bin, würden nie ein noch verschlossenes Türchen öffnen», sagt sie. Ihr persönlich haben es die Erika-Kalender angetan, die lieblich geschmückt sind und eine heile Welt vermitteln. Mit den aktuellen Exemplaren kann die 82-Jährige nicht viel anfangen. Einzig die Kalender, die eine Freundin von ihr alle zwei Jahre entwirft, finden Platz in ihrer Sammlung.
Auch Wünsche verändern sich
Früher hat Evelyne Gasser vieles auf dem Flohmarkt erstanden oder von Bekannten bekommen. Heute durchforstet sie hin und wieder die Internetplattform Ebay in der Hoffnung, die eine oder andere Rarität zu finden. Nicht minder umfangreich ist übrigens die Sammlung an Wunschzetteln, die die 82-Jährige zusammengetragen hat. Und wen erstaunts, auch bei denen gibt es grosse Unterschiede zu heute. Sorgten früher Farbstifte für strahlende Augen, müssen heute ganz andere Geschenke her. Ob sie mehr Freude machen?